Nicht kuschen. Seine Meinung sagen. Auch wenn es gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner geht. Die Familie Heuberger aus Hosenruck (TG) macht genau das und legt sich mit der Agrarlobby an.
Das muss man sich erst mal getrauen! Also den fast allmächtigen Bauernverband (SBV) frontal anzugreifen. Und das nicht in irgendeinem Lokalblättchen, sondern - wenn schon, denn schon - , im Sonntagsblick. Den Verbandsfunktionären geradeheraus sagen, dass sie nicht die Bauern, sondern die Agrarlobby und wohl auch sich selber vertreten. Wer sind diese Leute?
Querulanten sehen anders aus
Nach einer Postautofahrt durch eine sanft-hüglige Landschaft zwischen Wil und Weinfelden stehen sie dann da bei ihrem Vieh auf der Weide in Hosenruck – der Ort heisst wirklich so: Mariette (60) und Roland (57) Heuberger. Ein freundliches Lachen, das auch die Augen miteinschliesst, ein fester Händedruck und zur Begrüssung sagt die Bäuerin: «Es ist schon bald Mittag, bleib doch einfach zum Essen.» Also ehrlich - Querulanten stellt man sich irgendwie anders vor. Ganz anders. Beim Gang über die von Hecken und Büschen durchsetzten Wiesen, entlang an einem renaturierten Bach, ein paar toten Bäumen in denen es von Leben wimmelt, zeigt es sich dann, dass die Heubergers eben keine Querulanten, sondern Vorreiter sind. Sie gehören zu den Erstunterzeichnern des Appels «Agrarlobby stoppen». «Diese mächtige Lobby gibt vor, für die Bauernfamilien einzustehen», fasst Heuberger zusammen. «In Wirklichkeit stützt sie eine intensive Landwirtschaft, die den Interessen des Agrobusiness dient. Diese mit Pestiziden auf Hochleistung getrimmte Landwirtschaft vermindert Vögel und Insekten und vergiftet unsere Gewässer und Lebensmittel.» Er sagt das mit der ruhigen Stimme von Menschen, die nicht brüllen müssen, um zu überzeugen.
«Schade, haben wir nicht schon früher umgestellt»
Mariette, die gelernte Intensivpflege-Fachfrau und Roland Heuberger haben auch mal anders gedacht. Aber nur kurz und das ist lange her. «1994 haben wir den Betrieb von meinen Eltern übernommen. Und je länger es ging mit Herbi-, Fungi-, Insekti und was der Zide sonst noch so sind; je länger wir mit den Agrargiften zu tun hatten, je unwohler wurde uns», schauen die beiden zurück. Im Jahr 2000 stellten sie auf Bio um. Das war zu dieser Zeit noch etwas Spezielles. Heftiges Kopfschütteln löste es dann auch aus, als die Heubergers Hecken pflanzten, den Wald artgerecht aufforsteten und gar noch eingedolte Bäche öffneten. Und heute? «Heute tut es mir leid, dass wir nicht schon viel, viel früher mit allem angefangen haben», bedauert der Bauer. «Erst als wir nämlich biologisch wirtschafteten, wurde uns klar, wie gross die Abhängigkeit von der Agralobby war. Alles ist Dir vorgegeben: Dann und dann wird gesät, dann kunstgedüngt, dann die Giftspritze aufgezogen. Das kann es nicht sein!» Zu gross die Abhängigkeit von der Agrar-Lobby, zu stark der Druck der Funktionäre.
Von aussen betrachtet
Inzwischen ist auch noch Rolands Cousin Karl Heuberger dazugestossen, der die Familie in einem Teilzeitpensum unterstützt. «Ich kann den Betrieb immer auch noch von aussen betrachten und was ich sehe, macht Freude» sagt er: «Auf unseren Wiesen, Wäldern und Äckern leben wieder unzählige Vogelarten, Wiesel, Igel und seit diesem Jahr sogar ein Turmfalke. Ausserdem ist es ein gutes Gefühl, wenn man von Passanten Komplimente für seine Biodiversitäts-Anstrengungen erhält.» Aha! Haben die Spötter eben doch recht: Ökologie statt Ökonomie. Landschaftsgärtner statt Produzent! «Eben genau nicht», kontert Roland Heuberger. Beim Ertrag von unseren Wiesen, Weiden und Bäumen können wir mit den konventionellen Betrieben mithalten. Doch unsere Produkte - also primär Milch und Obst - sind gefragt und erzielen einen guten Preis. Wir haben bewiesen, dass es nicht entweder um Ökologie oder Ökonomie geht, sondern das in einer intakten Umwelt auch das Business blüht. Auf diesen Beweis sind wir stolz.»
Frei sein
Unter der Hand würden ihm viele Bauern gestehen, dass sie auch gerne einen neuen Weg einschlügen. «Sie sehen ja, dass Steuermilliarden in die Taschen von Produzenten und Händler von Pestiziden, Futtermitteln, Dünger und Saatgut fliessen. Und dass der Bauernverband das auch noch unterstützt. Aber sie haben Angst, ausgetretene Pfade zu verlassen», sagt Roland Heuberger. Er kann das ein Stück weit verstehen: «Zu gross die Abhängigkeit von der Agrar-Lobby, zu hoch die Schulden für die überdimensionierte Technik und teure Traktoren, zu stark der Druck der Funktionäre.» Dann ist das Mittagessen ist vorbei und es wird Zeit zu gehen. Bleibt noch die Frage, wie die Agrarlobby auf die Sonntagsblick-Geschichte reagiert hat. Die drei lachen: «Mit null und nichts. Uns geht’s gut, uns können die Lobbysten nicht unter Druck setzen. Mit der Umstellung auf Bio haben wir nämlich ein grosses Stück Freiheit gewonnen.»