Welche Herausforderungen gibt es im biologischen Weinbau?

15. Juni 2023

Der biologische Weinbau boomt, die Nachfrage nach möglichst naturnah und pestizidfreien Weinen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Wie gehen Bio-Winzer mit Krankheiten und Schädlingen um und welchen Einfluss haben Klima und Bodenbearbeitung? Und wie könnte der nachhaltige Weinbau der Zukunft aussehen?

Andreas Häseli berät als diplomierter Agronom in den Bereichen Obst- und Weinbau am FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick). Neben seiner fachlichen Tätigkeit hegt und pflegt er privat seinen eigenen, kleinen Rebberg und kultiviert dort u.a. die PiWi-Sorte Solaris. Mit uns teilt der Experte Einblicke und Erkenntnisse aus dem Bereich des biologischen Weinbaus.

Andreas Häseli, mit was für Schwierigkeiten ist man im biologischen Weinbau konfrontiert?
Mehltau und Co machen uns das Leben schwer. Da nur sehr wenige und im Vergleich zum konventionellen Anbau auch weniger wirksame Mittel für den Pflanzenschutz zur Verfügung stehen, sind indirekte Massnahmen umso wichtiger. Der gesunde, lebendige Boden ist die Basis für ein harmonisches Wachstum der Rebe und zur Stärkung der pflanzeneigenen Abwehrkräfte. Die Schaffung einer grösstmöglichen Biodiversität bietet Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Nützlinge, welche die Schädlinge in Schach halten können. Um solch lebendige Böden und ein intaktes Ökosystem zu schaffen, braucht es Zeit und die korrekte Umsetzung von Massnahmen.

Ein gesunder Boden und Biodiversität im Rebberg – wie wurde dies am FiBL umgesetzt?
Wir haben den Weinberg am FiBL 2004 übernommen und auf Bio umgestellt. Durch den vorgängig jahrelangen Einsatz von Herbiziden und mineralischen Düngern war die Bodenfruchtbarkeit anfänglich auf einem sehr tiefen Niveau, was sich in einem Wachstumsstress nach der Umstellung zeigte. Das erste Ziel war deshalb die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit. Die Methoden dazu waren Gaben von Reifekompost zur Verbesserung der Bodenstruktur und Erhöhung der organischen Substanz als Grundlage für ein aktives Bodenlebewesen, ein periodisches Öffnen des Bodens mit einer Spatenmaschine und Einsaat einer vielseitigen Begrünung zur Durchwurzelung des Bodens bis in tiefere Schichten, der Anreicherung von Luft-Stickstoff  durch die an den Wurzeln der Leguminosenarten lebenden Knöllchenbakterien sowie die Schaffung einer Pflanzenvielfalt zur Förderung der Nützlinge. Um all diese Funktionen zu entfalten, ist das Management der Blühstreifen wichtig. Die Kräuter müssen verblühen und Samen bilden können, damit sie sich langfristig im Rebberg halten können. Sie dürfen nicht zu tief geschnitten oder besser nur gewalzt werden, damit sie sich gegen die Gräser behaupten können. Mit speziellen Massnahmen - dem Offenlassen von Teilflächen zum Beispiel - versucht man auch gefährdete ein- und mehrjährige Pflanzenarten wie Zwiebelpflanzen zu fördern. Zwischendurch darf auch einmal eine Hecke gedeihen und an einer Stelle gibt es sogar diverse Hölzer als Unterschlupf für kleinere Tiere. Wenn man im Rebberg ist, stellt man fest: Hier gibt es Marienkäfer, es zwitschert, summt und brummt. Das ist gut! 

Gibt es weitere Massnahmen, um die Gesundheit der Reben zu fördern?
Ja, zum Beispiel führt eine frühzeitige, moderate Entlaubung der Traubenzone nicht nur zu einer Erhöhung des Pflanzenschutzerfolges durch eine bessere, ungehinderte Anlagerung der Wirkstoffe, sondern ist auch die beste Prophylaxe gegen Krankheiten wie Mehltau und Traubenfäule. Versuche des FiBL haben gezeigt, dass mit einer Laubentfernung in der Traubenzone die Traubenfäule Botrytis um mehr als 80 % reduziert werden konnte. Zudem führt die bessere Belichtung der Trauben zu einer erhöhten Anreicherung mit Zucker und Aromastoffen, was sich vor allem bei Rotweinen günstig auf die Weinqualität auswirkt.

Werden auch Mittel zum Pflanzenschutz am FiBL getestet und wie läuft dies ab?
Ja, im Bereich Pflanzenschutz am FiBL wurden in den letzten Jahren hunderte von biokompatiblen Mitteln auf ihre Wirkung vor allem gegen die Hauptkrankheit, dem Falschen Mehltau, getestet. Ausserdem wollen wir den heute schon sehr geringen Einsatz von Kupfer weiter reduzieren oder ihn sogar ganz ersetzen und den Pflanzenschutzerfolg noch sicherer machen. Die Abteilung Phytopathologie testet die Mittel zuerst an Rebsämlingen in den Klimakammern, wo die ideale Temperatur und Feuchtigkeit für die Ausbreitung der Krankheit simuliert werden kann. Die kleinen Rebpflänzchen werden mit dem Mittel behandelt und danach mit der Krankheit künstlich mit dem Pilz infiziert. In der Folge wird die Ausbreitung der Krankheit mit einer unbehandelten Kontrollpflanzen verglichen und bewertet.

Die wirksamen Mittel aus dieser ersten Teststufe werden danach in der Versuchsparzelle im Freiland weiter getestet. Hier zeigt sich, ob die Wirkung dieser oft auf pflanzlicher oder mineralischer Basis bestehenden Mitteln auch unter natürlichen Verhältnissen - unter Einfluss von Niederschlägen und Sonnenlicht - eine ausreichende Wirkung entfalten. Danach werden nur noch die wenigen, als erfolgreich eingestuften Mittel in Praxisversuchen in den Rebbergen des FiBL und bei Biowinzern weiter geprüft.

Wo steht man mit dem Einsatz von Drohnen?
Dies ist sicherlich eine interessante Technik, welche aber noch weiterentwickelt werden muss. Vorteile bieten sich durch die Reduktion der Bodenbelastungen und in Kombination mit Prognosesystemen, die am FiBL auch weiterentwickelt werden, damit noch gezielter und genau entsprechend den Infektionsereignissen behandelt werden kann.

Weingut FiBL

Das Bio Suisse zertifizierte Weingut erstreckt sich über vier Hektaren am sonnenverwöhnten Südhang im Fricktal. Kultiviert werden nebst traditionellen Sorten wie Blauburgunder, Gewürztraminer und Chardonnay immer mehr neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Im modernen Weinkeller vinifizieren über 40 verschiedene Sorten Bio-Weine. Darunter sind Weiss- und Rot- sowie Schaumweine, Rosés und die Vins Naturels, die fast ohne Hilfsstoffe oder anderer Eingriffe mittels Spontangärung im Keller reifen. Das Weingut FiBL wurde beim Schweizer Bioweinpreis 2021 zweifach mit Gold ausgezeichnet. Die Kategorien «Traditionelle Weisse einschliesslich PiWi» und «Traditionelle Rote einschliesslich PiWi» konnte das Weingut FiBL für sich entscheiden.

Was macht die Forschung im Bereich von krankheitsresistenten Sorten, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren? Man spricht hier auch von PiWi (Pilzresistente Rebsorten).
Die Förderung von krankheitstoleranten Sorten ist der wichtigste Ansatz für eine ökologischere Ausrichtung der Weinproduktion! Entsprechend grosse Anstrengungen werden unternommen. Verschiedene Züchtungsinstitutionen im In- und Ausland haben in den letzten Jahren Sorten hervorgebracht, deren Weine qualitativ mit den herkömmlichen Weinen verglichen werden können. Der Anbau hat sich vor allem im Bioanbau in der Deutschschweiz ausgeweitet. Ziel der Forschung ist es, zusammen mit den Praktikern die Anbaueignung dieser Sorten zu testen und Optimierungen in der Weinbereitung anzuvisieren. Die starke Reduktion des Pflanzenschutzaufwandes bedeutet auch eine Reduktion der Bodenbelastung, der Emissionen, der Kosten und weniger Stress für den Winzer. Zudem wird durch die extensivere Bewirtschaftung auch die Biodiversität weiter gefördert. Der Anbau dieser neuen Sorten tritt mehr und mehr aus einer Nische. Denn sie werden zunehmend erfolgreicher vermarktet, diese Weine von neuen, noch unbekannten Sorten finden dank entsprechenden Vermarktungskonzepten vermehrt auch den Weg über Grossverteiler.

Was ist Ihr Wunsch für den biologischen Weinbau von morgen?
Ich wünsche mir, dass das Potential mit den robusten Sorten und die Vorteile vieler Rebberge mit der einzigartigen, stark besonnten Exposition für die Erhöhung der Biodiversität noch weiter ausgebaut wird und dass die Impulse des Bioweinbaus noch stärker in den gesamten Weinbau einfliessen werden.

Interview und Bilder: Maya Frommelt im Gespräch mit Andreas Häseli

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