«Es macht uns Freude, Neues zu lernen», so der 33-jährige Bio-Landwirt und Winzer Jürg Strauss. Seine Frau Pascale ist zwei Jahre jünger, gemeinsam haben sie schon viel erreicht. «Es gibt jetzt viel mehr Leben bei uns im Rebberg und auf den Feldern.» Nach und nach haben sie dafür neue Projekte in Angriff genommen, von der Trockensteinmauer bis zum Wurzelhaufen für Kleinlebewesen. «Ich möchte hier eigentlich die Wiesel zurückholen,» so der junge Bio-Landwirt. Blühstreifen sind nicht spärlich am Rand, sondern grossflächig eingeplant, mal bleibt die Wiese mit Wildblumen einfach stehen. Hecken bieten weiteren Lebensraum für Nützlinge. So summt und brummt es hinter dem Bauernhaus. Pascale Strauss meint: «Neu wollen wir einen ökologischen Naturacker.» Dafür haben sie eine zusätzliche Fläche von 160 Aaren gepachtet, die nach und nach beackert und belebt werden soll. «Ich möchte einen Acker, der in sich ein Ökosystem bildet.» Dazu muss man mit der Natur arbeiten, Monokultur und schwere Maschinen haben hier nichts verloren.
Sie sind jung und innovativ. Sie wagen Neues und wollen mehr: Mehr Biodiversität bei gleichzeitig erhöhter Produktivität. Pascale und Jürg Strauss zeigen, wie das möglich ist: Sie setzen auf neue Anbausysteme, robuste Sorten, eine intelligente Planung und beständiges Lernen mit der Natur.
Die Vision? Ein ökologisch vielfältiger Naturacker
Bioagrikultur Strauss
Pascale und Jürg Strauss führen Bioagrikultur Strauss in Rickenbach ZH im Winterthurer Weinland bereits in der achten Generation. Jürgs Eltern arbeiteten bereits seit 20 Jahren nach den Richtlinien der Knospe und gehörten zu den «PiWi-Pionieren» im Weinbau. Pascale und Jürg Strauss konnten den Hof vor sieben Jahren übernehmen und setzen verstärkt auf Biodiversitätsmassnahmen in Kombination mit Agroforst und Permakultur. Als Direktvermarkter bieten sie ein Getreide-Abo an.
Agroforst und Permakultur
«Wir haben schon viele Hochstammbäume hier, sie sind oben beim Rebberg. «Die Kombination von Ackerbau mit Bäumen ist sehr reizvoll», erklärt der Bio-Landwirt. «Ich beschäftige mich für den Naturacker vermehrt mit Agroforst, denn wo und in welche Ausrichtung man die unterschiedlichen Bäume pflanzt, hat Einfluss auf die Durchwurzelung, die Bodenqualität, das Wassermanagement und den Windverlauf im Acker. Dies möchte ich möglichst geschickt planen.» Doch nicht nur das. Auch das Pflanzen auf verschiedenen Ebenen macht Sinn: Unten können Knollen, Zwiebeln und Kartoffeln wachsen, in der Mitte Getreide mit Untersaaten, oben verschiedene Nüsse oder Früchte. Die Mischung von unterschiedlichen Sorten macht den Naturacker so interessant, vielfältig und lebendig. «Auf diese Weise erhalten wir einen höchst produktiven Acker - für die Biodiversität und für die Wertschöpfung!»
Der Grand Prix Bio Suisse 2022 geht an Strauss Bioagrikultur
Bio Suisse hat den diesjährigen Preis an Pascale und Jürg Strauss für ihr «Getreide-Abo» verliehen.
Dabei handelt es sich um eine innovative Idee der Direktvermarktung. Verbunden wird das Abo mit einem Hofspaziergang durch die vielfältige Ackerkultur auf dem Betrieb. Die Konsument:innen bekommen so einen Einblick in neue Anbauformen wie Agroforst und Permakultur. Die Jury lobte die regionale Wertschöpfung, den kleineren CO2-Abdruck und den Modellcharakter des Projekts. Das Getreide-Abo zeigt exemplarisch, dass sich Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität erfolgreich kombinieren lassen.
Reben mit Mini-Kiwis und Kartoffeln
Die beiden Bio-Begeisterten führen bereits heute einen «Permakulturrebberg». So setzt Jürg Strauss auf Zweitkulturen. Dieses Jahr gedeihen Kartoffeln, Weizen, Sonnenblumen und sogar Mini-Kiwis zwischen den Reben. Herausforderungen wird es immer geben, wie beispielsweise mehr Handarbeit bei der Ernte, da der Einsatz von Maschinen im Rebberg limitierter ist als auf dem Acker. Mit jeder Herausforderung lernt man Neues dazu, auch bei den Alternativkulturen. «Vielfalt zeichnet uns aus!», lacht Pascale Strauss. Das passt zum vielfältigen Acker- und Weinbaubetrieb. Und das Gute ist: Eine ökologische Landwirtschaft ist niemals abgeschlossen, genauso wie der Naturacker. Einzig das Ziel ist klar: Mehr Biodiversität, mehr Lebensraum. Und natürlich fruchtbarer Boden. Denn nur ein gesunder, fruchtbarer Boden kann auch in Zukunft reichen Ertrag bringen.
Biodiversität im Alltag fördern
Einige Anregungen, um Biodiversität im Alltag selbst zu fördern, ganz egal ob im Garten, auf dem Balkon oder durch den bewussten Konsum:
- Auf einheimische Pflanzen, Hecken und Stauden setzen
- Blühwiesen oder Blumentöpfe mit Wildblumen anbringen
- Vielfältige Lebensräume schaffen, z.B. Laubhaufen im Herbst länger stehen lassen
- Insektenhotel oder Vogelhäuschen aufstellen
- Bewusst einkaufen und konsumieren: Biologisch produzierte Lebensmittel fördern durch ihre Anbauweisen und den Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide die Biodiversität
Redaktion: Maya Frommelt, Fotos: Maya Frommelt, zVg Bioakgrikultur Strauss