Der Hofmetzger: «Ich will meinen Tieren bis zum Tod ein möglichst gutes Leben ermöglichen»

17. Januar 2022

Knospe-Produzent Lukas Meier zerlegt jedes seiner Tiere selbst und stellt daraus Fleischspezialitäten in Bio-Knospe-Qualität her. Davor sollen die Schafe, Schweine und Hühner ein möglichst schönes Leben haben.

Wunderbar weich fühlt es sich an, das braune Fell der Engadiner Schafe. Liebevoll fährt Lukas Meiers Hand über den wolligen Hinterkopf. «Ja, du Guter», murmelt der Bio-Bauer dem jungen Schaf zu, das die Krauleinheiten sichtlich geniesst. Die braunen Rücken der Schafherde glänzen in der Herbstsonne. Die schwarzen Köpfe mit den typischen Hängeohren und der Ramsnase sind alle auf den Bauer gerichtet. Jeder möchte gekrauelt werden.

Was die Tiere nicht wissen: Bio-Landwirt Lukas Meier ist auch Metzger. In den nächsten Tagen wird er einige von ihnen ins nahe gelegene Schlachthaus fahren. In seiner Hofmetzgerei gleich gegenüber der Weide wird er die Schlachtkörper anschliessend zerlegen, dressieren und allerlei Lammspezialitäten daraus zubereiten. «Ich will meinen Tieren bis zum Tod ein möglichst gutes Leben ermöglichen», sagt Lukas Meier. Auch darum habe er vor gut zehn Jahren die Arbeit in der Bio-Metzgerei seines Bruders an den Nagel gehängt und zusammen mit seiner Frau Sabine einen Hof gesucht. In Hägglingen im nördlichsten Zipfel des Aargauer Freiamts wurden die beiden fündig: Ein altes Bauernhaus mit sechs Hektaren Wiesland wurde die neue Lebensgrundlage der Familie und Lebensraum für deren Alpakas, Engadiner Schafe, Weideschweine und Weidepoulets.

Sauwohl auf der Weide

«Alle unsere Tiere leben draussen auf der Weide», erklärt Lukas Meier. Denn dort würden sich die Tiere am wohlsten fühlen. «Am offensichtlichsten ist das bei den Schweinen», findet der Aargauer. Wenn er die jungen Ferkel beim Bio-Züchter abhole, hätten sie noch nie Erde unter den Füssen gehabt. «Dennoch ist das Erste, was die Ferkel auf der Weide machen: den Rüssel in die Erde stecken und wühlen.» «Oder sie stürzen sie sich in die Suhle», ergänzt Sabine Meier. «Nach nur fünf Minuten sind die hübschen rosaroten Säuli jeweils dreckig von Kopf bis Fuss», lacht sie. Auch das Rennen gehöre zum natürlichen Verhalten der Schweine, haben Meiers die Erfahrung gemacht: Einfach aus Freude galoppieren die Tiere immer wieder über die Weide. Darum erhalten sie auf dem Hof Maiengrün viel Platz: Etwa 30 Aaren – also knapp einen Drittel eines Fussballfeldes – für eine Rotte von 10 Schweinen. Als Vergleich: In konventionellen Schweineställen stehen 10 Schweine auf einer Fläche von der Grösse eines einzigen Autoparkfelds. Ein weiterer Vorteil der grossen Weide bei Meiers: Es bleibt immer genügend begrünte Fläche, auf der die Schweine grasen können. Denn neben dem Futter aus dem mobilen Automaten würden die Schweine liebend gerne ihren Speiseplan mit frischem Gras, Wurzeln und Bodentierchen ergänzen, erzählt Lukas Meier.

Sulmtaler Huhn – nachhaltiges Zweinutzungshuhn

Das Sulmtaler Huhn stammt aus der Steiermark, wo es wegen seines besonders fein-aromatischen Fleisches die Leibspeise des Adels gewesen sein soll. Das «Kaiserhuhn» hat aber noch weitere Vorteile: Es ist äusserst robust, erträgt auch tiefe Temperaturen und findet das Futter gut draussen auf der Weide. Als perfektes «Outdoor-Huhn» passt es also gut auf den Hof Maiengrün von Lukas und Sabine Meier. Auf dem Bio-Knospe-Betrieb, der auch nach dem strengsten Schweizer Tierschutzlabel KAG-Freiland zertifiziert ist, lebt eine Gruppe von ca. 30 Hühnern mit ihrem Hahn. Die Eier dieser stolzen Damen verkauft die Bauernfamilie nicht nur im Hofladen. Etwa 200 Stück werden im Laufe eines Jahrs ausgebrütet, um eigene Mastpoulets heranzuziehen. Die Jungtiere wachsen dann draussen auf der Weide heran, bis sie im Alter von ca. 5 Monaten geschlachtet werden. Das ist vergleichsweise ein sehr langes Leben: Ein konventionelles Mastpoulet ist in gerade mal 4 Wochen schlachtreif. Bei weniger intensiv gehaltenen Bio-Mastpoulets sind es rund 6 Wochen.

Bei den modernen Legehennen ist es gerade umgekehrt: Sie legen zwar jeden Tag ein grosses Ei, ihre Nachzucht setzt aber nur sehr langsam und mit grossem Futterverbrauch Fleisch an. Vor diesem Hintergrund ist das Sumtaler Huhn auf dem Hof Maienberg ein Gegenentwurf zum modernen Produktionssystem von Pouletfleisch und Eier. «Unsere Hühner legen zwar nur jeden zweiten Tag ein Ei und auch die Mast dauert viel länger als üblich», erklärt Lukas Meier. «Darum kostet unser Poulet auch entsprechend mehr.» Der Biobauer und Metzger ist aber der Meinung, dass das dem Tierwohl zu liebe auch so sein darf. «Früher war ein Poulet ein Festmahl für ganz spezielle Anlässe. Die heutige Vorstellung vom Pouletfleisch als trendigen und günstigen Eiweisslieferanten hat schliesslich auch dazu geführt, dass die Zucht und Haltung dieser Tiere so ad absurdum geführt wurde.»

Bio-Hof Maiengrün

Sabine und Lukas Maier führen in Hägglingen AG einen kleinen Bio-Knospe-Betrieb mit hauseigener Metzgerei und Hofladen. Auf den sechs Hektaren Land weiden Alpakas, Engadiner Schafe, Freilandschweine und Sulmtaler Masthühner. Aus dem Fleisch der Tiere stellt Metzger Lukas Meier Fleisch- und Wurstspezialitäten her, die per Postversand oder im Hofladen erhältlich sind. www.hof-maiengruen.ch

Zurück zum alten Metzgerhandwerk

Was ihn als Metzger aber auch interessiert: Auf der Weide gehaltene Tiere ergeben eine viel bessere Fleischqualität. «Das Fleisch von meinen Weideschweinen hat mehr Biss und Aroma und verliert beim Braten kaum Wasser», sagt er und seine Augen leuchten. Schon Lukas Meiers Vater war Metzger. Für den Sechzigjährigen ist das Handwerk mit dem Fleisch die Leidenschaft seines Lebens. Gute Würste herstellen, das ist seine Passion. Rund 50 verschiedene Arten stellt er für seinen Hofladen her: Von pikanten Grillwürsten über geräucherte Trockenwürste bis zur besonders aromatischen Bauernwurst, die Lukas Meier gleich nach der Schlachtung aus dem noch warmen Fleisch herstellt. «Dann enthält das Fleisch noch Enzyme für eine grosse Aromavielfalt und natürliche Phosphate für eine gute Bindung», erklärt er. Die Richtlinien von Bio Suisse würden einen Metzger wieder zur alten Handwerkskunst zurückführen, weil viele Hilfsmittel und Zusatzstoffe verboten seien, meint Lukas Meier. «Ich bin stolz, Bio-Metzger zu sein. Das kann nicht jeder.» Die vielen Qualitätsauszeichnungen an der Wand des Hofladens sprechen für ihn. Ebenso die treue Kundschaft, die ihr Fleisch auf dem Hof einkauft oder per Postversand bestellt. «Dank dem guten Absatz kann ich ein Tier von Kopf bis Fuss vermarkten und nichts bleibt liegen. Wobei wir wieder bei der Wurst wären», sagt Lukas Meier und schmunzelt.

Kleine Metzgereien gehen ein

In seiner 43-jährigen Metzgerkarriere habe er schon von Vielem gehört: dass altes Fleisch verwurstet, dass umetikettiert oder umdeklariert wurde. Auch die grossen Schlachtbetriebe seien trotz Kontrollen vor solchen Geschichten nicht gefeit. Im Gegenteil. «Die Auflagen und Kontrollen sind darauf ausgerichtet, die kleinen Handwerksbetriebe kaputt zu machen», findet Lukas Meier. In vielen Regionen hätten die Landwirte keinen Metzger mehr und wären quasi gezwungen, ihre Tiere in die riesigen Schlachthöfe der Grossverteiler zu verkaufen. Nicht nur das ursprüngliche Metzgerhandwerk ginge dabei verloren, sondern auch die Eigenständigkeit der Bauernfamilien. Lukas Meier verarbeitet auch für sechs weitere Landwirte in der Umgebung die Tiere. «Die Nachfrage wäre noch viel grösser, aber für mehr habe ich in meiner umgebauten Garage keinen Platz», erzählt er. Er wolle das, was er macht, gut machen. Sagt er und wendet sich wieder seinem Engadiner Schaf zu, das neugierig an seinem Hosenbein zupft. «Ja, du Guter, das scheint dir zu schmecken.» Und er krauelt dem jungen Schaf den Rücken.

Ob es ihm denn keine Skrupel bereite, diese ihm so lieben Tiere zu schlachten? «Manchmal, wenn ich den Tieren im Anhänger Stroh hineinwerfe und sie mich ein letztes Mal von unten herauf anschauen, dann durchzieht mich schon ein Schmerz», sagt Lukas Meier. «Aber jemand muss diese Arbeit ja machen.» Dann lieber jemand, der etwas von seinem Metier verstehe und achtsam mit den Tieren umgehe. Er lässt seinen Blick über die braunen Rücken seiner Schafe gleiten, der schon tief stehenden Sonne entgegen.

Redaktion und Bilder: Ursina Steiner, publiziert in der Zeitschrift Oliv, Ausgabe 12/2021.

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