Die Atmosphäre am Hof-Office-Tag ist einmalig. Der Bio-Hof am Murtensee ist ein kleines Paradies für die Homeoffice-Müden. «Ich habe mich über die Anfrage gefreut, dass bei uns ein Hof-Office stattfinden soll,» so Bio-Landwirt Stefan Krähenbühl. «Unser Hof ist offen, man darf alles anschauen. Wir haben sogar einen Streichelzoo und ein weitläufiges Gelände. Im Moment haben wir sehr viele Kälbchen. Die Idee ist grossartig, wir begegnen Kundinnen, Kunden und Bio-Interessierten gerne!» So wurden kurzerhand fünf Bürotische zwischen Kuhweide und Hühnerwiese aufgestellt, inklusive Sonnenschirm, Stromkabel und Windschutz. Das gab es noch nie!
Frische Luft, offene Felder, Kühe, pickende Hühner und summende Bienen unterm Birnbaum. Die Sonne wärmt Körper und Gemüt, der Wind bringt frische Ideen für den Geist. Hofhund Fio sorgt kurze für Weile. Die Motivation steigt. Und die Konzentration? Wir nehmen Sie mit zum ersten Hof-Office-Tag der Schweiz.
Fleissige Bienchen und viel Arbeit
Sie sind zwischen 29 und 61 Jahre alt, kommen aus der Deutsch- und Westschweiz, sind neugierig, offen und haben Lust, ihr Homeoffice gegen einen Tag im Hof-Office einzutauschen. «Mein Chef hat mich aufs Hof-Office aufmerksam gemacht», sagt der 29-jährige Elias. Er arbeitet bei der Post als Markenspezialist im Marketing und freut sich, dass er an diesem Tag tatsächlich die Abwechslung erhält, die sein Chef in Aussicht gestellt hat.
Und so arbeiten sie hier: Fünf inspirierende Arbeitsplätze stehen auf dem weitläufigen Hof verteilt, mit allem ausgerüstet, was es braucht: WLAN und einer tierisch guten Aussicht. Man trifft sich beim reichhaltigen Zmorge mit Bio-Zopf, Bio-Käse und Aufschnitt vom Hof.
Die 35-jährige Sophie arbeitet selbstständig als Französischlehrerin. Sie hat zwei Videocalls mit ihren Schülern. «Es ist grossartig, ich kann meine Schüler heute in dieser Kulisse mitten in der Natur überraschen.» Ihr Arbeitsplatz befindet sich unter den Birnbäumen, links sind die Pferde, rechts die Kälbchen. «Das sorgt für gute Stimmung!» Sie arbeitet daran, Französisch-Onlinekurse zu erstellen und dank ihrer Community zu vermarkten. «Dieser Tag gibt mir Inspiration und erfrischt den Geist!», Sie hat den Anlass genutzt, um eine Instagram Story hochzuladen und ihre Schüler virtuell mitzunehmen «Sonst zeige ich selten mein Gesicht auf Instagram, heute war ich inspiriert dazu,» freut sich die Französischlehrerin.
So ähnlich geht es auch Alina, die 29-jährige arbeitet bei Bio Partner in der Unternehmenskommunikation. Sie ist für Social Media zuständig und nutzt den Tag intensiv. «Am meisten überraschten mich die Hühner! Mein Arbeitsplatz ist mitten auf der Hühnerwiese. Während ich tippe, picken die Hühner unter mir im Gras!», Alina findet’s grossartig.
Und was macht Richard? Für den 39-jährige Übersetzer kommt die Abwechslung wie gerufen. Nach einem produktiven, ruhigen Morgen kann er Hofhund Fio streicheln. Er übersetzt Deutsch-Englisch für den Bund und da tut der offene Blick über die Felder richtig gut.
Barbara, 61 Jahre, fährt gleich mit ihrem Camper an und lässt ihre zwei Hunde übers Feld laufen. Für sie kam der Tag wie gerufen, sie arbeitet für «Nomady», eine Plattform, die freie Stellplätze für Campervans abseits von herkömmlichen Campingplätzen vermittelt. «Beeindruckt hat mich der Gastgeber vom Hof am Murtensee, die Begegnung hat Spuren hinterlassen», so Barbara. «Ich mag innovative Ideen und arbeite generell so, wie es mir gefällt.»
Der Hof am Murtensee
Der fast 40 Hektaren grosse Bio-Betrieb wird von Stefan und Anita Krähenbühl bewirtschaftet. Sie produzieren Bio-Kartoffeln- und Süsskartoffeln. Rund 40 Milchkühe und ein Stier grasen auf den Weiden. Zudem gibt es eine Pferdepension und einen Streichelzoo mit Kaninchen und Zwergziegen. Respekt für die Tiere ist Voraussetzung! Zwei Schweine suhlen sich hinter dem Hof genüsslich in der Erde. Für etwas Exotik sorgt ein Pfauenpaar, das sich frei auf dem Hof bewegt.
Anita und Stefan Krähenbühl haben drei Kinder, die fleissig mithelfen und ebenfalls Knospe Produzent*innen werden wollen. Die älteste Tochter macht bereits die Lehre auf dem Betrieb.
Echte Begegnungen und Einblicke in den Bauernalltag
Bio-Landwirt Stefan Krähenbühl vom Hof am Murtensee kommt trotz der Kartoffel- und Brokkoliaussaat in der Mittagspause vorbei und unterhält sich mit den Hof-Office Teilnehmer*innen. Er spricht über seine aktuellen Herausforderungen, wie etwa Food Waste. Nicht perfekt geformtes Gemüse oder nicht der Normgrösse entsprechende Kartoffeln muss er auf anderen Kanälen verkaufen, wenn nicht Tierfutter daraus werden soll. Man muss kreativ sein und innovative Ideen haben. So ist der «Gintoffel» entstanden, Gin aus jenen Süsskartoffeln, die für den Verkauf zu klein sind.
Die Gemeinschaftsgastronomie könnte ebenfalls ein wichtiger Abnehmer sein. In der Region gibt es Rolex mit einer Betriebskantine für 700 Mitarbeitende, nur wollen die Grossküchen bereits gewürfeltes oder geschnittenes Gemüse.
Ebenso interessant ist die ammengebundene Kälberaufzucht, auf dem Hof gibt es gerade viele Kälbchen und Bio-Landwirt Krähenbühl hat bereits gute Erfahrungen gesammelt: Statt die Kälbchen per Flasche zu füttern, dürfen sie an einer Amme säugen. «Etwas mehr Zeit braucht es teilweise, aber es funktioniert sehr gut und ist ein guter Schritt fürs Tierwohl.» Ebenso gut kann er seine Tiere ohne Antibiotika behandeln. Er teilt auch ehrlich seine aktuellen Ängste und Sorgen mit: «Es macht mir zu schaffen, dass der Ruf der Bauern in der Öffentlichkeit leidet.» Zu viel politisieren wollte er dann aber nicht, die Feldarbeit ruft. Genug Zeit für einen ehrlichen, offenen und bereichernden Austausch war aber genug da.
Vom Homeoffice ins Hof-Office
Zurück geht’s an den Schreibtisch in der Natur. So schön es ist, das Hof-Office hat seine Tücken. Der Wind zum Beispiel. Elias ist umgezogen und hat seinen Schreibtisch vom offenen Feld windgeschützt zwischen Pferdeboxen und Bauernhaus platziert. «Kalt war es zwar nicht, aber der Wind hat zugenommen!»
Gleichzeitig lacht die Sonne und Sophie freut sich über ihr schattiges Plätzchen unter den Bäumen. «Es ist inspirierend!», so die Selbstständige. «Ich nehme mit, dass es auch mal anders gehen kann.»
Und Barbara wird mit Bio-Landwirt Krähenbühl zwecks der Vermittlung von unkonventionellen Stellplätzen in Verbindung bleiben. Ein Tag abseits des gewohnten Homeoffice kann viel in Bewegung bringen!
Bio Suisse Hof-Office
Abwechslung gefällig? Auf Social Media und in unserem Newsletter haben wir die Ausschreibung fürs Hof-Office veröffentlicht. Rund 50 Bewerbungen sind eingegangen, fünf wurden auserwählt. Am 22. April 2021 fand bei strahlendem Sonnenschein das erste Hof-Office beim Knospe-Hof am Murtensee statt.
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Redaktion und Bilder: Maya Frommelt