Alte Getreidearten für Feld, Mühle und Backstube

08. August 2018


Wenn Einkorn und alte Weizensorten zu gutem Brot verbacken werden sollen, lohnt sich die enge Zusammenarbeit von Landwirten und Bäckern. Das zeigen zwei Beispiele aus der Romandie. Nach jahrzehntelangem Schlummern in Samenbanken kehren alte Getreidearten und -sorten wieder auf den Acker zurück. Die Direktvermarktung bietet sich für die Wertschöpfung alter Getreidarten wie Einkorn als beste und oft auch als einzige Möglichkeit an.


Olivier Hofmann aus Reconvilier BE im Tal von Tavannes ist Bäcker, Konditor und Confiseur und überzeugt vom Wert des Einkorns: «Einkorn ist das älteste Getreide der Welt und bietet eine umfassende Nährstoffpalette: Es enthält die acht wichtigsten Aminosäuren und ist reich an Karotin und Mineralstoffen», erklärt er. Über die Hälfte seiner Produkte ist aus alten Getreidesorten hergestellt. Nennenswert sind die berühmten Käsekuchen der «Foire de Chaindon». Olivier Hofmann erinnert sich: «Im Jahr 2007 begann mein Interesse für lokales Getreide. Ich fragte Tom Gerber, einen Landwirt hier im Dorf, ob er Getreide für mich anbauen könne. Daraus wollte ich ein lokales Brot backen. Sehr schnell begann ich mich für Einkorn zu interessieren. Saatgut war nicht leicht zu finden, und die ersten Backversuche waren mühsam.»

Im Jahr 2011 baute auch der Landwirt Elie Grosjean aus Saules BE Einkorn erstmals für den Bäcker Olivier Hofmann an. Ab 2014 baute Elie Grosjean zusätzlich die zwei regionalen Weizensorten «Rouge du Jura» und «Jura blanc» aus früheren Zeiten an. Die ersten Brote dieser Sorten werden ab kommendem Herbst erhältlich sein. «Nun vermehre ich noch die Weizensorte ‹Belprahon›, die nach einem Ort in der Umgebung benannt ist. Ich finde es fantastisch, diese alten, mit unserer Region verbundenen Brotgetreide wieder aufleben zu lassen», freut sich Elie Grosjean, der gerade die Umstellung seines Betriebs auf Biolandbau abschliesst.


Alte Sorten haben sich bewährt

«Für unsere Randregion des Ackerbaus eignen sich alte Getreidesorten bestens. Ich war nie auf Maximalerträge ausgerichtet, ich habe aus Idealismus heraus mit der Kultur der alten Einkornsorten begonnen», betont Elie Grosjean. In den lehmigen und durch die Viehwirtschaft mit genügend Nährstoffen angereicherten Böden baut er sein Einkorn in der Fruchtfolge als letzte Kultur an, ohne zusätzliches Düngen. Die Standfestigkeit des Getreides leidet darunter nicht. Elie Grosjean macht ausserdem Sortenversuche mit Emmer und Dinkel.

Das oberste Ziel von Landwirt Elie Grosjean (links) und Bäcker Olivier Hofmann ist, gutes Brot zu produzieren.

Als Käufer der ganzen Produktion ist Olivier Hofmann auch an der Weizensorte ‹Scaro› interessiert. «Obwohl sie aus der Liste der Sortenempfehlungen gestrichen wurde, habe ich hervorragende Backversuche damit machen können, und ich werde mich direkt bei meinen Produzenten eindecken, um das Mehl für mein normales Brotsortiment selbst zu mahlen», erklärt Olivier Hofmann. Seit letztem Jahr beliefern zwei weitere regionale Bio-Landwirte seine Bäckerei.

Vor vier Jahren kaufte Olivier Hofmann eine Astrié-Steinmühle. Damit habe sich die Verarbeitung des Getreides grundlegend geändert. «Industriemühlen vermahlen das Getreide mit sogenannten Walzenstühlen. Dadurch wird das Korn geschält und es durchläuft bis zu zwölf Mahldurchgänge. Dieses Vorgehen misshandelt das Mehl, erhitzt es und befördert es durch Blasrohre, was zu einer starken Oxydierung führt. Während dieses Prozesses wird der Keimling des Korns entfernt, um zu vermeiden, dass das Mehl während der Lagerung ranzig wird. Die in den verschiedenen Mahldurchgängen erhaltenen Fraktionen werden danach zusammengesetzt. Solches Mehl muss mindestens drei Wochen lagern, bevor es gebraucht werden kann, zudem müssen Kleber, Ascorbinsäure und weitere Zusatzstoffe zum Nachbessern hinzugefügt werden», erklärt er. «Mit meiner Steinmühle ist das Mehl frisch. Keimling sowie Protein bleiben erhalten und das Mehl wird nicht erhitzt, was eine optimale Qualität garantiert», betont Olivier Hofmann. Für helles Ruchmehl wird die Kleie entfernt, das Mehl danach sofort verarbeitet. Die frische Verarbeitung verleihe dem Brot mehr Geschmack und der Salzgehalt im Brot könne so um 20 Prozent reduziert werden, sagt Olivier Hofmann.

Die Verarbeitung den Sorten anpassen

Olivier Hofmann stellt nur wenige Vollkornbrote aus alten Getreidearten her. «Kleie ist dank ihrer Fasern zwar gesundheitsförderlich, als Ballaststoff beeinträchtigt sie jedoch die Aufnahmefähigkeit der wertvollen Nährstoffe», erklärt er. Brote aus alten Getreidearten stellt er mit Sauerteig her. Dieser gewährleistet durch seine Zusammensetzung, seine Säure und seine langsame Gärung eine hervorragende Aufnahme der Mineralstoffe, er baut Glutenstoffe besser ab und macht das Brot länger haltbar. «Ich habe viele Versuche mit spezifischen Sauerteigen für unterschiedliche Brottypen gemacht, und ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden – ganz wie meine Kundschaft», freut sich Olivier Hofmann.

Mit der Verarbeitung alter Getreidearten musste der Bäcker auch seine Arbeitsweise anpassen. In erster Linie nahm er bei der Getreidebeschaffung ein Risiko auf sich, denn die Kulturen bleiben von schlechten Jahren nicht verschont. Dazu kommt, dass sich Mehl mit niedrigerem Klebergehalt schwerer zu Teig verarbeiten lässt. «Man muss beim Kneten besonders gut aufpassen, denn wenn es zu lange dauert, fällt der Teig zusammen und geht dann fast nicht mehr auf.» Hier kommt die Erfahrung des Bäckers zum Tragen. «Bei der industriellen Verarbeitung ist alles mechanisiert und die Rohstoffe sind standardisiert, damit es keine bösen Überraschungen geben kann», erklärt Olivier Hofmann. Der Anblick seiner luftigen Brote aus Einkorn, die üblicherweise eher kompakt daherkommen, vermittelt ein schönes Bild vom handwerklichen Können dieses leidenschaftlichen Bäckers.

500 kg Sauerteigbrote pro Woche aus alten Sorten

Im Kanton Waadt kultivieren Fabien und Caroline Thubert auf ihrem gemischten Bio-Betrieb in Pomy VD, den sie im Jahr 2011 von Carolines Eltern übernommen haben, rund zwanzig Hektaren Brotgetreide. Darunter befinden sich zahlreiche alte Sorten verschiedener Arten, so etwa roter glatter und begrannter Weizen («Rouge de Gruyère», «Rouge de Marchissy», «Rouge du Roc», «Rouge d’Alsace», «Rouge de Bordeaux»), weisser Emmer (Märzdinkel), Rauweizen wie die «Nonette de Lausanne», aber auch Einkorn und Urdinkel. Insgesamt produzieren sie auf ihrem Hof an die 500 Kilogramm Sauerteigbrote pro Woche in Handarbeit. Das Waadtländer Ehepaar verfügt hierzu über die entsprechende Ausstattung – insbesondere über eine Astrié-Steinmühle und einen Holzofen mit einer Produktionskapazität von siebzig Kilogramm.

Zuvor hatten Caroline und Fabien den Betrieb der Stiftung «Terre de Liens» im französischen Savoyen geführt. Bereits dort hatten sie ihre alten Getreidekulturen wertschöpfend zu Brot verarbeitet. Als sie im Jahr 2007 mit dem Anbau ihres Urgetreides begannen, bezogen sie Saatgut vom «Réseau Semences Paysannes», einem französischen Netzwerk, das sich mit grossem Engagement für den Erhalt der Biodiversität einsetzt. «In der klassischen Getreidezüchtung gerieten die Kriterien Geschmack und Farbe in Vergessenheit und wurden allzu oft im Mehl durch Zusatzstoffe ersetzt», halten beide fest. «Genau das gefällt mir beim handwerklichen Mahlen und Backen: Mehle und Brote zu kreieren, welche die Vielfalt dieses Getreides zum Ausdruck bringen – sowohl geschmacklich als auch farblich und auch in der Teigführung», schwärmt Fabien Thubert. Er ist der Ansicht, dass im Bereich alter Getreidesorten noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist. «Es ist wichtig, dass wir einheimische Getreidearten zur Auswahl haben und über ihre Eigenschaften in Bezug auf Nähr-, Back- und Landwirtschaftswerte besser Bescheid wissen. Für mich ist dabei am wichtigsten, dass ich Freude am Anbau von Weizensorten habe, die nicht alle nur grau sind und alle gleich hoch, sondern unterschiedlich – mit Grannen oder ohne –, und die in vielen Farben strahlen.»


Beitrag von Christian Hirschi, Übersetzung Sabine Lubow; erschienen in der Zeitschrift Bioaktuell 3/2018
Bilder: Christian Hirschi

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