«Es kommt dem Dinkel entgegen, ein Guetzli zu werden»

10. Februar 2023

Dinkel ist zu einer echten Alternative von Weizen geworden. Er soll verträglicher und nachhaltiger sein. Stimmt das? André Stucki ist Saatgut-Experte von Sativa. Er liefert die Antworten und erklärt, wie das Backen mit Dinkel gelingen kann.

(Sativa/André Stucki)

Herr Stucki, was ist Dinkel?

Dinkel ist wie Emmer und Einkorn ein Urgetreide und dem Weizen von der Genetik und vom Ertrag her am ähnlichsten. Er zeichnet sich durch höhere Gehalte an Mineralstoffen und Spurenelementen aus.

Wie unterscheidet sich Dinkelteig vom Weizenteig?

Während beim Weizen in den letzten Jahrzehnten sehr stark auf ein hohes Backvolumen gezüchtet wurde, sind diese Eigenschaften beim Dinkel vergleichsweise urtümlich und wenig verändert. Die Backeigenschaften eines Getreides werden hauptsächlich durch die Art und Zusammensetzung der Proteine im Teig bestimmt (Kleber).

Wie macht sich das beim Backen bemerkbar?

Dinkel gibt wie die anderen Urgetreide einen eher flüssigen Teig, der nicht so stark aufgeht. Der Dinkel-Teig ist nicht so fest, weil der Kleber im Unterschied zum Weizenteig anders zusammengesetzt ist. So wird beispielsweise eine Dinkel-Focaccia nie so schnell und luftig aufgehen wie eine Weizen-Focaccia.

Setzt die Industrie deshalb eher auf Weizen als auf Dinkel?

Der heutige Weizen wird hauptsächlich für eine industrielle Teigführung gezüchtet. Dabei muss der Teig in kurzer Zeit sehr stark aufgehen und somit sehr elastisch sein. Dabei kann man auch mit Dinkel schöne und luftige Brote machen, es braucht einfach mehr Geduld bei der Teigführung. Doch dafür sind die industriellen Backstuben nicht optimal eingerichtet.

Für welches Backprodukt eigent sich Dinkel besonders gut?

Beim Backen ohne Hefe funktioniert Dinkel genauso gut wie Weizen. Guetzli aus Dinkel lassen sich bestens backen. Da braucht es nicht den Klebegehalt, der einen Teig elastisch macht. Es kommt dem Dinkel entgegen, ein Guetzli zu werden. Dinkel hat einen viel weicheren Teig als Weizen, den man länger aufgehen lassen muss, weil er züchterisch nicht so bearbeitet worden ist wie der Weizen in den letzten Jahrzehnten. Das wiederum verbindet ihn mit den anderen Urgetreiden Emmer und Einkorn.

Wie steht es ums Brotbacken?

Wenn ich ein Dinkelbrot genau gleich wie ein Weizenbrot backen will, erhalte ich einen Fladen. Um das zu verhindern, muss man dem Dinkelteig mehr Zeit lassen. Er braucht länger, um gemeinsam mit der Hefe ein entsprechendes Volumen zu erhalten. Zudem ist der Dinkelteig weniger stabil als der Weizenteig. Viele Dinkelbrote werden deshalb in einer Backform gebacken.

Wer sich beim Backen etwas Zeit lässt, könnte mit einem tollen Dinkelbrot belohnt werden.

(Ursina Steiner/Bio Suisse)

Es heisst, Dinkel sei bekömmlicher als Weizen. Stimmt das?

Ja, Dinkel ist für viele Menschen bekömmlicher als Weizen. Personen mit einer Weizenunverträglichkeit können Dinkel besser verdauen als Weizen. Das gilt aber nicht für Personen mit einer Zöliakie (Gluten-Allergie).

Dinkel ist für viele Menschen bekömmlicher als Weizen.

Wie unterscheiden sich Dinkel und Weizen beim Anbau?

Der Dinkel hat einen anderen Wuchs als Weizen. Er hat längere Halme und macht mehr Stroh. Der Hauptunterschied zwischen der Dinkel- und der Weizenpflanze ist, dass beim Dinkel das Korn durch den Spelz geschützt ist - vor Regen, vor Krankheiten. Das macht den Dinkel als Pflanze gesünder und resistenter als den Weizen. Eine grosse Herausforderung ist der Anbau für die Produzenten insofern, dass, wenn zu viele Nährstoffe im falschen Moment da sind, der Dinkel umfällt. Denn Dinkel hat gegenüber dem Weizen eine verminderte Standfestigkeit. Wenn man einen Dinkel so intensiv führt wie einen Weizen, was die Nährstoffe angeht (Stickstoff vor allem), dann fällt der um (der Dinkel «lagert» dann).

Dinkelfeld
Dinkel wächst höher als Weizen.
(FiBL)

Wie steht es um die Nachhaltigkeit von Dinkel?

Bio-Dinkel kann als Ackerkultur weniger intensiv geführt werden wie Weizen. Je intensiver eine Kultur geführt wird, desto mehr Pflanzenschutz ist in der Regel nötig und umso anfälliger ist die Kultur für Krankheiten. Dinkel hat den Vorteil, dass er aufgrund seiner Höhe weniger anfällig für Unkraut ist. Dadurch benötigt er weniger Pflanzenschutz. Denn es gilt: Je wenig Pflanzenschutz, desto nahhaltiger und besser für Boden, Umwelt und Biodiversität.

Dinkel ist nachhaltiger als Weizen, weil er weniger Pflanzenschutz benötigt.

Lohnt sich aus Sicht der Produzent:innen der Anbau von Dinkel?

Der Ertrag ist beim Dinkel tiefer als beim Weizen, die Produzenten erhalten für Dinkel aber einen höheren Preis. Auch muss bei der Verarbeitung in der Mühle ein Zusatzschritt eingelegt werden – das Röllen. Bei diesem Vorgang werden die Dinkelkörner entspelzt. Dafür braucht es eine spezielle Anlage, welche den Spelz knacken und vom Korn entfernen kann.

Mehr Mühe bei Anbau und Verarbeitung: Hat Dinkel eine Zukunft in der Schweiz?

Die Anbauflächen von Dinkel sind in den letzten Jahren gewachsen. Bio-Dinkel ist sicher ganz stark im Kommen. Der Verkauf von Dinkelprodukten steigt seit Jahren.

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