Problematische Papierverpackungen

15. Juli 2019


Vor zwei Jahren untersuchte der Verband der Kantonschemikerinnen und Kantonschemiker der Schweiz Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton. Darunter Kaffeebecher, Pizzaboxen, Papiersäcke für Mehl und Getreide, Brotsäcke sowie Verpackungen für Take-away-Produkte. Die Ergebnisse der chemischen Analysen liessen aufhorchen. Es fanden sich zum Teil hohe Rückstände von ungeeigneten Verpackungstinten, chlorhaltigen Verbindungen und Mineralöl. Inhaltsstoffe, bei denen das Risiko besteht, dass Bestandteile davon in die Lebensmittel übergehen, die sie eigentlich schützen sollten. Besser geworden ist es laut dem damals federführenden St. Galler Kantonschemiker Pius Kölbener seit der Untersuchung nicht. Gegenüber Bio Suisse erläutert er, wo die Knackpunkte liegen – und verweist dabei mehrmals auf die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Selbstkontrolle.


Herr Kölbener, rückblickend auf die Untersuchung im Jahr 2017, was waren zusammengefasst die wichtigsten Ergebnisse?

Von den 78 untersuchten Lebensmittelverpackungen wurden 11, also 14 Prozent, aufgrund von Höchstwert-Überschreitungen bei chemischen Kontaminanten wie Chloropropanolen und Inhaltsstoffen von Druckfarben beanstandet. 42 Proben, das sind 62 Prozent, enthielten Mineralölrückstände, wobei diese in 15 Proben so erhöht waren, dass wir auch das beanstanden mussten. Weitere Beanstandungen gab es bei der Hälfte aller untersuchten Proben aufgrund ungenügender Selbstkontrollen. Was diese Selbstkontrollen umfassen müssen, ist im Artikel 75 Buchstabe b der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung umschrieben. So müssen unter anderem die Eignung der Verpackung überprüft und Proben analysiert werden.

Für Kunststoffe gibt es detaillierte Vorgaben, was die Konformitätserklärung angeht. Bei Papier ist das nicht der Fall. Wie also weiss ich, ob die von mir verwendeten Lebensmittelverpackungen der schweizerischen Gesetzgebung entsprechen?

Verpackungen aus Kunststoff und Verpackungen aus alternativen Materialien werden zum Teil analog verwendet. Daher sind die wichtigen Punkte einer Kunststoffverpackung auch für Papierverpackungen wichtig und dieselben Informationen – zum Beispiel Schichtaufbau, eingesetzte Stoffe und Verwendungszweck – entlang der Lieferkette weiterzugeben.


Können Sie das etwas ausführen?

Lebensmittelverpackungen dürfen gemäss Artikel 49 Stoffe an Lebensmittel nur in Mengen abgeben, die gesundheitlich unbedenklich sind, technisch unvermeidbar sind und das Lebensmittel nicht geschmacklich beeinträchtigen. Zur Beurteilung dieser allgemeinen Anforderungen muss, wenn keine gesetzlichen Höchstwerte definiert sind, auf technische Standards zurückgegriffen werden, zum Beispiel auf die Empfehlungen des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung. Gerade die Empfehlung XXXVI dieses Instituts stellt aktuell den Stand der Technik bei der Herstellung von Papierverpackungen dar. Jedoch sind auch hier nicht alle Aspekte abgedeckt, so wird die Problematik der unabsichtlich eingebrachten Stoffe – kurz NIAS für «non-intentionally added substances» – nicht berücksichtigt.

Nehmen wir mal das konkrete Beispiel von Verpackungstinten. Wie sieht es da aus bezüglich Migrationspotenzial?

Die Druckfarbenhersteller sind sich der Problematik der potenziellen Migration von Druckfarbenbestandteilen bewusst. Wichtig ist, dass dem Verwendungszweck angepasste Druckfarben und gegebenenfalls Barriereschichten in der Verpackung verwendet werden, um eine Migration von Stoffen zu verhindern. Im Rahmen der Prüfung der Konformitäts- oder Unbedenklichkeitserklärungen des Verpackungsmaterials muss am Ende jedoch die verantwortliche Person kontrollieren, ob das Produkt für den vorgesehenen Zweck geeignet ist. Ein Lebensmittelproduzent kann das selber oft nicht. Er muss sich aber beim Verpackungslieferanten vergewissern, dass dieser die Eignung des Verpackungsmaterials überprüft hat.

Was können Sie punkto Mineralöl sagen?

Es ist wichtig, sich der möglichen Eintragswege von Mineralölrückständen in Lebensmitteln bewusst zu werden. So enthält Recyclingpapier viele unbekannte Stoffe, die toxikologisch nicht abgesichert sind. Was bedeutet, dass man ihre Giftigkeit nicht kennt. Ohne sicherzustellen, dass diese Stoffe nicht auf das Lebensmittel übergehen können, zum Beispiel durch den Einsatz einer geeigneten Sperrschicht oder aufgrund der Eigenschaften des verpackten Lebensmittels, etwa Eier, darf Recyclingpapier nicht für die Verpackung von Lebensmitteln verwendet werden. Zuerst muss ein Lebensmittelhersteller sich vergewissern, ob das Verpackungsmaterial Mineralöle enthält. Falls ja, muss er überprüfen, ob diese Verpackung für das Lebensmittel geeignet ist oder nicht.

Diese Überprüfung ist mitunter schwierig. Der Grossteil der Bedarfsgegenstände kommt aus dem Ausland, wobei Hersteller und Herkunftsland nicht angegeben werden müssen. Es fehlt also die Rückverfolgbarkeit, wie sie bei Lebensmitteln Pflicht ist. Könnte diesbezüglich eine Zertifizierung von Verpackungsmittelherstellern nach «BRC Global Standard for Packaging and Packaging Materials» hilfreich sein?

Auch bei Lebensmittelverpackungen muss die Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein. Es sind jedoch für die Kennzeichnung der Verpackungen keine Angaben zur Charge vorgeschrieben. Eine Zertifizierung ist sicher sinnvoll, da damit Abläufe standardisiert und dokumentiert werden. Jedoch garantiert sie nicht, dass alle lebensmittelrechtlichen Aspekte abgedeckt sind oder die in den Prozessen verwendeten Qualitätsanforderungen erfüllt werden.


Haben Sie unterdessen weitere Untersuchungen von Papierverpackungen durchgeführt? Wenn ja, zieht sich das schlechte Ergebnis aus dem Jahr 2017 fort?

In den letzten beiden Jahren wurden weitere Untersuchungen durchgeführt und es konnte bis jetzt leider noch keine deutliche Verbesserung festgestellt werden. Wir bleiben also dran.

Wie könnte Bio Suisse ihre Produzenten und vor allem die kleinen Lizenznehmer bei dieser Pflicht zur Selbstkontrolle unterstützen?

Sie könnte Ihren Produzenten Hilfsdokumente anbieten, zum Beispiel Checklisten, und Empfehlungen betreffend chemische Untersuchungen und Prüflaboratorien aussprechen. So könnte Bio Suisse Expertenwissen vermitteln oder mittels Fachpersonen zugänglich machen.


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