Wenn die Bio-Gärtnerei dem Torf Ade sagt

27. März 2019



In der Huplant Bioproduktion im aargauischen Hirschthal wird biologisch und torffrei produziert. Das ist nicht selbstverständlich, denn unter Bio Suisse Richtlinien ist Torf im Umfang von maximal dreissig Prozent bei Beet- und Balkonpflanzen erlaubt. Auf dem Pionierbetrieb hat man jedoch mit dem kompletten Verzicht gute Erfahrungen gemacht.


Bio und torffrei: Zu beiden Themen hat das Betriebsleiterpaar Adrian und Yvonne Huber, denen das Gartencenter und die Bioproduktion gehört, rasch eine Entscheidung gefällt. Sie produzieren Beet- und Balkonpflanzen, Kräuter, Gemüse und Grossstauden auf einer Fläche von 60 000 Quadratmeter – biologisch und torffrei.


Auch Kokosfasern sind nicht ideal

Torf entsteht, wenn Torfmoose unter Ausschluss von Sauerstoff verrotten. Pro Jahr entsteht aber nur eine winzige Schicht von einem Millimeter Torf. Abgebaut werden in Europa dagegen Mengen von jährlich 68 Millionen Kubikmeter. Torf speichert im grossen Stil Kohlenstoff, der beim Abbau und bei der Zersetzung in Form von Kohlendioxid freigesetzt wird. Moore sind nicht nur Kohlenstoff-Speicher, sondern auch wertvolle Flächen mit grosser Artenvielfalt und Heimat verschiedener spezialisierter Tier- und Pflanzenarten. «Das Bundesamt für Umwelt strebt den Torfausstieg an», erzählt Adrian Huber dazu, «Deshalb entschlossen wir uns 2015, vollständig auf torffreie Produktion umzustellen. Da unser Erdenlieferant Ökohum nur torffreies Substrat für Baumschulen im Angebot hatte, bestellten wir dieses. Es war für unsere Pflanzen allerdings zu grob. Deshalb begannen wir, die Rezeptur gemeinsam mit Ökohum anzupassen.» Als optimale Bestandteile haben sich folgende Komponenten herausgestellt: Rindenkompost, Holzfasern, Perlit (Vulkangestein), Kokosfasern, Reisspelzen (Haut des Reiskorns), Schafwolle und ein organischer Dünger.


Der grosse Vorteil von Torf für Gärtnereien ist, dass viel Stickstoff und Wasser gespeichert und über einen längeren Zeitraum gleichmässig abgegeben werden. Genau diese Eigenschaften von Torf sind auch am schwierigsten zu ersetzen. Kokosfasern gelten diesbezüglich als guter Ersatz. Allerdings werden bei der Produktion soziale Standards oftmals nicht eingehalten. Zudem müssen die Kokosfasern von weit hertransportiert werden.


Bei Huplant stammen die Kokosfasern aus kontrollierter Herkunft, dennoch bleibt der lange Transportweg. «Im ursprünglichen Substrat waren dreissig Prozent Kokosfasern enthalten, mittlerweile ist es ein Drittel weniger.» Für sie ist es wichtig, dass dieser Anteil mit der Zeit noch weiter sinkt. Insgesamt sei ihre neue Setzlingserde nicht schwerer als eine mit Torf. «Das sagen sogar Berufskolleginnen und -kollegen, die aus Neugier vorbeikommen», erzählt Adrian Huber. Allerdings ist das Substrat rund doppelt so teuer. «Der Erdanteil am Produkt, das wir verkaufen, ist relativ gering. Daher können wir den höheren Erdenpreis wegstecken», sagt Yvonne Huber. Insgesamt hat sich die Produktion aber dennoch verteuert, auch aufgrund regelmässiger Analysen auf pH-Wert, Salzgehalt und Nährstoffe.


«Wir sind jetzt wieder Gärtner»

Huplant produziert seit Anfang 2019 als Vollknospe-Betrieb, hat also die zweijährige Umstellungsphase hinter sich. Den Entscheid für Bio haben Hubers nach einem Besuch in einer deutschen Bio-Gärtnerei getroffen. «Ich war immer Bio-affin», erzählt Yvonne Huber. «Aber meine ersten Erfahrungen aus Bio-Gärtnereien waren schlecht: Ich erinnere mich an kümmerliche, kleine Pflanzen.» In Deutschland staunten Hubers: «Die Pflanzen sahen gut aus, bisweilen sogar besser als bei uns.» Auf der Heimfahrt entschieden sie: Wir stellen auf Bioproduktion um. Wie beim Entscheid, auf Torf zu verzichten, galt das neue System praktisch ab sofort. «Wir schlossen die chemischen Pflanzenschutzmittel in einen Schrank ein und probierten neue Methoden aus.» Zwei Monate später meldeten sich Hubers bei Bio Suisse für die Umstellung an.

Die vierzig Angestellten hätten beide Veränderungen, sowohl die Umstellung auf torffreie als auch auf Bioproduktion, begrüsst. Die Motivation war gross, obwohl der Zusatzaufwand nicht gering ist: «Wir fühlten uns wie im ersten Lehrjahr, mussten wieder von Grund auf lernen, wie man Pflanzen kultiviert», erzählt Adrian Huber. Das freut ihn aber auch: «Wir sind jetzt wieder Gärtner und können unser Wissen einsetzen. Wenn wir unsere Arbeit gut machen, sehen die Pflanzen gut aus. Auch das Arbeitsklima hat sich merklich verbessert», sagt Adrian Huber. «Wir haben uns verändert», erzählt dazu Yvonne Hubert. «Aber auch bei den Mitarbeitenden löste die Umstellung etwas aus: Plötzlich kommen sie mit Ideen, was wir noch ausprobieren oder machen könnten», führt sie weiter aus.

Die Mitarbeit von Hubers am Rezept für die torffreie Erde von Ökohum hat auch Vorteile für andere Betriebe – diese können auf ein bewährtes Erdenrezept zurückgreifen. Klar sei aber auch: «Eine Umstellung muss aus einer Position der Stärke heraus geschehen. Wer finanziell schon mit dem Rücken zur Wand steht, kann sich eine Umstellung aus unserer Sicht nicht leisten.»


Schweizweites Projekt zum Torfausstieg

2012 verabschiedete der Bundesrat das Torfausstiegskonzept. In einer ersten Phase soll die Branche mit freiwilligen Massnahmen aktiv werden. Dafür startete 2017 ein dreijähriges Projekt des Unternehmerverbands Gärtner Schweiz (Jardin Suisse) gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Acht konventionelle Gärtnereien reduzieren ihren Torfeinsatz, zwei biologische Betriebe verzichten komplett darauf. Ziel des Projekts ist, den Mehraufwand zu beziffern und Lösungen für die grössten Herausforderungen zu finden. «Wir sehen in dem Projekt, dass es verschiedene Wege gibt, sich an die torffreie Produktion heranzutasten», erzählt Martin Koller, zuständig für Gemüse, Kräuter und Zierpflanzen am FiBL, «und dass auch eine stufenweise Anpassung zum Erfolg führen kann.»

Für viele Gärtnereien ist der Verzicht auf Torf eine grosse Herausforderung. Sie befürchten, dass die Kundinnen und Kunden die höheren Preise nicht hinnehmen. Zwar sind im Ausland auch Bestrebungen im Gange, in Zukunft auf Torf zu verzichten. «Dennoch könnten Schweizer Pflanzen im Vergleich zum Import nicht bestehen, würden die Schweizer Gärtnereien den Torf stark reduzieren oder gar torffrei produzieren wollen. Ausserdem müsse der Handel zu 100 Prozent mitziehen und bereit sein, die Mehrkosten auf den Produktepreis zu setzen», erklärt Martin Koller.



Mehr dazu auf: www.huplant.ch

Tag der offenen Tür: Samstag, 6. und Sonntag, 7. April 2019



Text: Katharina Scheuner
Bilder: Huplant Pflanzenkulturen AG
Teilen