Gebündelte Kräuterkraft aus dem Appenzell

14. Januar 2019

Die Appenzeller Bio-Kräuter GmbH baut seit drei Jahren Kräuter an. In reiner Handarbeit und mit einfacher Infrastruktur produziert sie fürs obere Preissegment.


Von der Decke hängen Reihen von Kräuterbündeln. Der Ventilator verbreitet surrend einen intensiven Teeduft im Raum. Die Fülle an sorgsam aufgehängten Pflanzen zeigt: Hier ist jemand mit Passion am Werk. Dieser «Jemand», das sind Petra und Maurus Dörig-Eyacher aus Appenzell. Erst vor drei Jahren sind sie in den Kräuteranbau eingestiegen. Von drei kleinen Beeten für die Appenzeller Alpenbitter AG konnten sie ihre Produktion auf fast eine Tonne getrocknete Kräuter für sieben Abnahmepartner sowie ein stetig wachsendes Sortiment an eigenen Produkten ausdehnen. Um ihre Kräuter zu trocknen, haben sie sich in einem ehemaligen Schweinestall eingemietet und diesen hygienekonform ausgebaut.


Viel sinnstiftende Handarbeit

Petra Dörig-Eyacher ist zufrieden mit der Entwicklung ihrer Verkäufe: «Der Absatz stimmt. Wir könnten schon heute viel mehr produzieren – wenn wir das Land dazu hätten», sagt sie. Die gelernte Uhren- und Bijouterie-Verkäuferin und der Landschaftsgärtner, Arbeitsagoge und Job-Coach sind Quereinsteiger. Die 70 Aren Land für ihre insgesamt 40 Kräuter konnten sie schrittweise dazupachten. Nun suchen sie weiteres Pachtland oder Biobetriebe, die bewährte Kräuterkulturen für sie anbauen. «Bei uns ist alles Handarbeit – das schreckt viele ab», erklärt Petra Dörig-Eyacher. Mit einer Bodenfräse und einer Heckenschere für den Herbstschnitt ist der Feldmechanisierungsgrad der Appenzeller Bio-Kräuter GmbH bescheiden.

Die Handarbeit auf den Feldern und in der Verarbeitung bietet Menschen mit Beeinträchtigung eine sinnstiftende Beschäftigung: Von Beginn an bot das Kräuterunternehmen sozialen Institutionen Plätze für Tagesstrukturen an. «Die Stille, die Düfte und die Arbeit mit anderen Menschen und der Natur tut den Betreuten sichtbar gut», weiss Petra Dörig-Eyacher.


Auf Handarbeit setzten die beiden aber auch der Qualität wegen. «Durch das sanfte Ernten und Trocknen bleiben die Blätter und Blüten als Ganzes erhalten», sagt Petra Dörig-Eyacher. Das bewahre die Aromen und verleihe den Tees auch optisch etwas Edles. Denn das Auge trinkt mit, ist die Appenzellerin überzeugt. So hat sie sich bei der Teebeutellinie für transparente, abbaubare Netze entschieden, in denen die Kräuter schön zur Geltung kommen. Damit die Mischung im Beutel stimmt, achtet sie beim Abfüllen auf das richtige Verhältnis zwischen feinen und groben Pflanzenteilen. Wie eine Floristin ihre Blumensträusse bindet, befüllt Petra Dörig-Eyacher mit Liebe und Geschmack jedes einzelne Teebeutelchen und näht es von Hand zusammen. So entstehen Teemischungen, bei denen jeder Beutel ein Unikat ist.

Entsprechend ist auch der Preis: 25 Franken kostet eine Schachtel mit 20 Teebeuteln für 40 Portionen Tee. Die Kunden sind offenbar bereit, diesen Preis zu zahlen: Neben dem steigenden Direktverkauf, der bald auch über einen Webshop laufen soll, zählt die Appenzeller Bio-Kräuter GmbH immer Petra und mehr Hotel- und Gastronomiebetriebe zu ihren Kundinnen und Kunden. «Wir möchten die Eigenlinie – also die Produkte unter dem Label Appenzeller Bio-Kräuter – in Zukunft noch stärker ausbauen, da wir hier die bessere Wertschöpfung haben», erklärt Maurus Dörig-Eyacher.


Traditionelle Trocknung

Voraussetzung für eine gute Wertschöpfung ist eine Verarbeitung, welche die Produktequalität möglichst hochhält. Bei der Appenzeller Bio-Kräuter GmbH wird deshalb von Hand gerebelt. Im Gegensatz zum Maschinenrebeln, wo die Kräuter inklusive der Stängel und Blattstiele maschinell zerkleinert werden, bleiben beim Handrebeln fast nur die aromatischen Blätter oder Blüten zurück. Der Unterschied ist erkennbar – gerade bei Knospe-Tees, denen keine Aromen beigesetzt werden dürfen.


Der erste Verarbeitungsschritt beginnt bei Maurus und Petra Dörig-Eyacher jedoch noch auf dem Feld. Bei der Ernte binden sie mit ihren Betreuten die Kräuter von Hand zu Bündeln. Diese hängen sie in Grossmuttermanier über Stäben im Gaden auf – oder eben im umgebauten Schweinestall. Hier sorgen eine Luftfeuchtigkeit zwischen 30 und 40 Prozent sowie eine Temperatur von 20 bis 35 °C für einen schonenden Trocknungsvorgang. «Ein Ventilator für die Luftzirkulation und ein herkömmlicher Raumentfeuchter, das ist unsere einfache Infrastruktur», sagt Petra Dörig-Eyacher. Nur kurzstielige Kräuter wie Thymian oder Blüten trocknet sie in der selbst entworfenen Trocknungsanlage auf Schubladen, wobei auch hier nur ein eingebauter Ventilator und ein Luftentfeuchter zum Zug kommen. «Die grösste Herausforderung ist es, den richtigen Trocknungsgrad zu erkennen», erklärt die Kräuter-Newcomerin. Nicht nur die Blätter, auch der Stängel müssten richtig trocken sein. «Zu feuchte Bündel riskieren zu schimmeln, zu trockene wiederum verlieren an Aroma.»

Fünf bis zehn Tage dauert die Trocknung. Anschliessend werden die Kräuterbündel zur Schädlingsbekämpfung bei einer Kräuterhandelsfirma begast. Zum Einsatz kommt CO2 und nicht etwa eine Chemikalie, wie dies in der konventionellen Verarbeitung erlaubt wäre. Die Bündel warten dann im Lagerraum aufs Rebeln und Abpacken.


Kräuterexoten im Test

Neben den alltäglichen Arbeiten beschäftigen sich Petra und Maurus Dörig-Eyacher gerne mit neuen Projekten. So wachsen auf den Feldern versuchsweise Kräuterexoten wie das Lustkraut (Lepidium Perunianum) – ein altes Potenzmittel der Inkas. Man darf also gespannt sein, welche Kräuter der Appenzeller Bio-Kräuter GmBH demnächst für Gesprächsstoff sorgen.




Text: Ursina Steiner, freie Journalistin
Bilder: Ursina Steiner und Ueli Steingruber, Fotograf

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