Präsident von Bio Grischun: «Bei uns wird Bio in zehn bis fünfzehn Jahren Standard sein»

11. April 2018

Claudio Gregori ist seit Februar 2017 Präsident von Bio Grischun und kann sich freuen, dass seit seinem Amtsantritt offiziell über sechzig Prozent der Bündner Landwirtschaftsbetriebe biologisch produzieren. Im Gespräch erklärt er, welche Faktoren Graubünden zum «Bio-Kanton» machen und wie die Bündner Bio-Zukunft aussehen soll.

Claudio Gregori, was bedeutet für Sie «Bio liegt nah»?

Immer mehr Landwirtschaftsbetriebe produzieren biologisch. So rückt Bio näher, unsere Wege zu den Bio-Produkten ab Hof werden kürzer. Gleichzeitig gibt es mehr Bio-Produkte in immer mehr Läden und Restaurants. Wenn man den Wert von Nahrungsmitteln für den eigenen Körper erkennt und Wert auf eine gesunde Ernährung legt, dann ist es naheliegend, sich für ein biologisch hergestelltes Produkt zu entscheiden.

Welche Faktoren haben Graubünden zum Bio-Kanton mit über sechzig Prozent Bio-Anteil gemacht?

Verschiedene Faktoren haben einen Einfluss auf den grossen Bio-Anteil im Kanton Graubünden. Erstens hatten viele Betriebe durch die Direktvermarktung und den Tourismus früh einen sehr engen Kontakt zu den Konsumentinnen und Konsumenten. Dadurch haben sie deren wachsendes Bedürfnis nach natürlich produzierten und regionalen Produkten erkannt und mit einer Umstellung auf Bio reagiert. Zweitens haben viele Verarbeitungsbetriebe ebenfalls früh den Trend zu Bio erkannt. Wenn eine wichtige Käserei neu nur noch Bio-Milch annimmt, dann ziehen die Produzierenden eben mit. Drittens haben wir im Vergleich zu anderen Kantonen einen sehr hohen Anteil an Grünlandbetrieben. Die Umstellung auf Bio ist für sie weniger herausfordernd als zum Beispiel für Ackerbau-, Rebbau- und Gemüsebau-Betriebe. So entstand eine Eigendynamik der Bünder Bio-Bewegung: Es stellten vermehrt bekannte und angesehene Betriebe auf Bio um, was wiederum andere inspirierte, mitzuziehen.

Gibt es genügend Abnehmer, wenn weiterhin mehr Betriebe auf die Knospe umstellen?

Die Aktuelle Entwicklung zeigt, dass immer mehr Personen biologische Produkte kaufen. Wir müssen versuchen, diese Nachfrage abzudecken. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, dass wir trotz Wachstum authentisch bleiben und unsere Richtlinien nicht auf Kosten des Wachstums verwässern.

Wie möchten Sie zukünftig weitere Bäuerinnen und Bauern für die Umstellung auf die Knospe motivieren?

Bio Grischun verzichtet bewusst auf eine Wachstumszahl. Unser primäres Ziel ist es, bei den Neu-Umstellern das Bewusstsein für die positiven Auswirkungen des Bio-Landbaus zu stärken, sodass sie anderen Leuten positive Signale aussenden. Wir möchten, dass sie Bio nicht als eine von Richtlinien eingeschränkte Produktionsweise erleben, sondern den Nutzen für Boden, Umwelt und Tiere schätzen. Wir kommunizieren mit stichhaltigen Argumenten, die praxisnah und wirtschaftlich sind. Wir möchten zeigen, dass der Biolandbau praktikabel ist.

Im Valposchiavo liegt der Bio-Anteil bei über achtzig Prozent. Halten Sie ein zukünftiges Graubünden mit hundert Prozent Bio-Landbau für möglich?

Hundert Prozent finde ich keine erstrebenswerte Zahl. Wird nur auf einem Hof ein Schlamassel aufgedeckt, sind die hundert Prozent Bio weg. Der Biolandbau wird aber in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren zur Standard-Bewirtschaftungsform in Graubünden, mit einem Anteil von siebzig bis neunzig Prozent. Das ist absolut realistisch und wir bewegen uns ja bereits in diese Richtung.

Wie ergänzen Tourismus und Gastronomie dieses grosse Bio-Angebot?

Die Zusammenarbeit mit Gastronomie und Tourismus ist ein weiterer Schwerpunkt für die kommenden Jahre. Ich sehe darin noch sehr viel Potential. Abgesehen von der Spitzengastronomie, die den Bio- und Regio-Trend sehr früh erkannt hat, ist der Absatz über die anderen Gastrokanäle noch schwierig. Einerseits haben meiner Meinung nach viele Gastronomen noch nicht gemerkt, dass ihre Gäste Bio und Regio verlangen. Andererseits können Verfügbarkeit und die benötigten Mengen für sie Hürden sein. Bio Grischun möchte die Kontakte zwischen Restaurants und Produzenten fördern und eine Plattform schaffen, auf der sich Köche über die Produkteverfügbarkeit im Kanton informieren können. Eine weitere Option sehe ich auf politischer Ebene. Hier möchten wir einen Prozess anstossen, damit in öffentlich-rechtlichen Spitälern, Schulmensen und Altersheimen vermehrt Bio-Lebensmittel mit Regio-Fokus serviert werden. Ich denke, Bio ist gerade für Institutionen mit einem Gesundheitsauftrag naheliegend.
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