Vom Kunststudium zum innovativen Landwirt: Georg Blunier – Ein Pionier der Hoftötung

07. Oktober 2020

Die Geschichte der Bluniers ist ungewöhnlich: Georg und Claudia Blunier haben einen Bachelor-Abschluss in Bildender Kunst, Georg war bereits gelernter Grafiker. Doch nach zwei Alpsommer kam alles anders. Um den Traum vom eigenen, biologisch-dynamischen Hof zu verwirklichen, haben sie umgeschult. Georg Blunier absolvierte ein Masterstudium in Agronomie an der HAFL in Zollikofen, seine Frau Claudia die Nachholbildung beim Plantahof. Beide führen heute den Bio Hof Dusch in Domleschg, GR. Dabei haben sie innovative Wege in der Landwirtschaft eingeschlagen.


Herr Blunier, wie sind Sie nach einem Kunststudium zur Landwirtschaft gekommen?

Wir wollten nach dem Studium etwas anderes machen und haben uns entschieden, einen Sommer auf der Alp zu verbringen. Wir haben das Vorhaben zwar völlig unterschätz, denn es war sehr anstrengend. Aber es hat uns auch so gut gefallen, dass wir unbedingt in der Landwirtschaft arbeiten und einen Hof übernehmen wollten. Wir wollten Nahrungsmittel produzieren, die natürlich nicht nur gut schmecken, sondern auch nachhaltig produziert sind.

Welche Massnahmen ergreifen Sie auf dem Ihrem Bio Hof Dusch, um das Tierwohl zu fördern?

Wir bewirtschaften unseren Hof nach den Richtlinien von Bio Suisse, KAGfreiland und Demeter. Das Wohl und die Würde unserer Nutztiere hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Unsere Tiere sind das ganze Jahr draussen. 240 Tage davon ganztägig auf der Weide und im Sommer auf der Alp. All unsere Tiere sind behornt. Dafür brauchen sie auch mehr Platz. Unser Stall ist für 30 Mutterkühe ausgelegt. Wir halten 18 Mutterkühe und etwa 10 Masttiere. Unsere Vorstellung einer respektvollen und artgerechten Tierhaltung wollen wir konsequent bis zum Schluss umsetzen. Darum töten wir unsere Rinder bei uns auf dem Hof in gewohnter Umgebung und unter Artgenossen. Lebendtransporte ins Schlachtlokal gibt es für unsere Rindern nicht mehr.

Sie sind für den agroPreis2020 nominiert für Ihren Beitrag zur gesetzlichen Bewilligung der Hoftötung. Was ist das genau?

Die Hof- und Weidetötung war bis 2020 im Gesetz nicht klar geregelt. Es war somit bisher in der Kompetenz der Kantone darüber zu entschieden ob sie eine Hof- oder Weidetötung zulassen oder nicht. Der Kanton Graubünden hat 2018 als erster Kanton entschieden, die Hoftötung zu erlauben und uns im Frühjahr 2018 eine Bewilligung für die Hoftötung erteilt. Bei der Hoftötung findet mit der Tötung ein Teil der Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb statt.
Anstatt die Tiere lebend in Schlachtlokal zu bringen, kommen Metzger und Tierarzt zu uns auf den Hof. Die Tiere werden von uns in einem speziell dafür eingerichtet Bereich im Stall gefüttert und fixiert. Wichtig ist, dass die Tiere mit dem Ort gut vertraut sind. Nur so kann die Schlachtung wirklich stressfrei durchgeführt werden. Der Amtstierarzt untersucht die Tiere vor Ort. Danach kann der Metzger die Betäubung durchführen. Das Tier wird entblutet und dann tot in einen speziellen Anhänger verladen und ins nahegelegene Schlachtlokal gebracht. Dort findet die Weiterverarbeitung statt. Die Erfahrungen im Kanton Graubünden und später in anderen Kantonen haben gezeigt, dass mit der Hoftötung eine stressfreie Schlachtung unter Einhaltung aller gesetzlicher Vorgaben (Tierschutz, Hygiene, Lebensmittelsicherheit und Arbeitssicherheit) möglich ist. Seit Juli 2020 ist nun eine neue Gesetzgebung in Kraft, welche die Hof- und Weidetötung erstmal auf Bundesebene regelt. Somit können seit diesem Sommer alle interessieren Landwirtschaftsbetriebe eine Bewilligung zur Hof- oder Weidetötung beantragen.

Was sind die Vorteile der Hoftötung?

Das wichtigste Argument für die Hoftötung ist ganz klar das Tierwohl. Rinder sind Herdentiere. Die Herde ist nicht nur ihr soziales Umfeld, sondern auch der Ort, wo sie ich sicher fühlen und Schutz suchen. Ein Tier, welches sein ganzes Leben in der Herde aufgewachsen ist, aus dem Herdenverbund herauszunehmen, bedeutet für die Tiere grossen Stress. Bei der Hoftötung können die Tiere bis zur letzten Sekunde an dem Ort bleiben, der ihnen vertraut ist. In der Herde und unter Artgenossen.
Dass wir mit einer stressfreien Schlachtung gleichzeitig auch die beste Voraussetzung schaffen für eine hohe Fleischqualität und eine gute Fleischreifung ist ein positiver Nebeneffekt. Mit der Verarbeitung in der Region können wir die lokale Wertschöpfung erhöhen und die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerksbetrieben stärken. So schaffen wir ein Produkt höchster Qualität, das bezüglich Tierwohl, Regionalität und Fleischqualität einmalig ist.

Welche Hürden gab es auf dem Weg zu den gesetzeskonformen Grundlagen?

Wir waren immer sicher, dass unser Handeln gesetzeskonform ist. Dass aber der Bund den Handlungsbedarf erkannt hat und die entsprechenden Gesetzestexte zu Gunsten der Hof- und Weidetötung überarbeitet and angepasst hat, hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nicht nur politisch wurden in den vergangenen 10 Jahren entsprechende Vorstösse gemacht, sondern auch in der Forschung. Das FiIBL hat alle interessierten Landwirte in der Umsetzung der Hoftötung begleitet und unterstützt. Wichtige Erfolge waren sicher die erste Bewilligung für die Weidetötung 2015 in Zürich und die erste Bewilligung für die Hoftötung in Graubünden 2018. Die Hürden bei der Umsetzung waren in beiden Fällen, den kantonalen Behörden aufzuzeigen, dass die Tötung auf dem Heimbetrieb gesetzeskonform durchgeführt werden kann. Dazu bedurfte es auch der entsprechenden Infrastruktur, die wir anschaffen oder entwickeln mussten. Wie das spezielle Fanggitter für unsere behornten Tiere. Dazu braucht es sicher auch etwas Kreativität und Pioniergeist.

Wie würden Sie das Preisgeld des agroPreises 2020 investieren?

Wir haben seit der Betriebsübernahme 2014 konsequent auf Direktvermarktung gesetzt. Nicht nur beim Fleisch. In vielerlei Hinsicht ist diese Entscheidung für uns ein Erfolg. Aber wir stossen jetzt etwas an die Grenzen unserer Infrastruktur. Wir möchten den Hoflanden sowie die Lager- und Verarbeitungsräume erneuern. Das Preisgeld würden wir gerne für diese Investitionen nutzen.

Ihre Einschätzung – wird Fleisch aus Hoftötung keine Nische mehr bleiben?

Im Moment haben nur eine handvoll Betriebe eine Bewilligung zur Hof- oder Weidetötung. Das liegt vor allem an der bisherigen Gesetzgebung. Das Interesse seitens der Landwirtschaft ist viel grösser. Über 140 Betriebe haben sich bis heute bei der IG Hof- und Weidetötung als Interessenten zusammengefunden und ungefähr 15 davon haben unterdessen ein Gesuch eingereicht. Zudem merken jetzt auch die Metzger, dass dies eine Chance für sie und ihre Landwirte darstellt. Auch das Interesse der Konsumenten wächst. Viele Leute achten stärker darauf, woher das Fleisch herkommt, unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben und wie es produziert wurde. Tierwohlansprüche, Regionalität und Nachhaltigkeit sind wichtige Kriterien. Diese Entwicklung lässt sich seit rund 20 Jahren beobachten. Es wird einen wachsenden Markt geben für Produkte, diese Ansprüche erfüllen. Davon bin ich überzeugt.

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

Mit der Gesetzesänderung wurde ein grosses Ziel erreicht und die Schweiz ist unseren Nachbarländern fünf bis zehn Jahre voraus, was die hofnahe Schlachtung betrifft. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ist die Hof- und Weidetötung gegenwärtig jedoch nur für Betriebe möglich, die in 15-20 Minuten ein Schlachtlokal anfahren können. Dass zukünftig alle interessieren Betriebe die Hof- und Weidetötung praktizieren können, dazu braucht es neue Möglichkeiten und auch noch einige Veränderungen. Ich hoffe sehr, dass das in naher Zukunft möglich wird.

Interview: Maya Frommelt im Gespräch mit Georg Blunier
Fotos: Tina Sturzenegger, das Familienbild ist von ©Crowd Container

Bio Hof Dusch – Biologisch-dynamisch bewirtschaftet


Der Bio Hof Dusch liegt in Domleschg in den Bündner Bergen. Seit 2014 ist er in Bluniers Händen und wird seit 2018 nach Demeter-Richtlinien bewirtschaftet. Er ist das Zuhause von Georg und Claudia Blunier, ihren drei Söhnen, 18 behornten Mutterkühen der Rasse Grauvieh, einigen Hühnern, Spiegelschafen und Weideschweinen. 9 Hektaren sind dem Bergackerbau gewidmet, für dessen Erhalt sie sich aktiv als Mitglied der Produzentengemeinschaft GranAlpin einsetzen. Bekannt sind die Bluniers für das Fleisch aus schonender Hoftötung. Dies fördert das Tierwohl, die Zusammenarbeit lokaler Kleinbetriebe wird gestärkt und die Wertschöpfung bleibt in der Region. Sie betreiben einen Hofladen und beliefern unter anderem auch die Spitzengastronomie wie Sternekoch Andreas Caminada.

Weitere Informationen: Bio Hof Dusch

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