Die Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern brauchen faire Preise – Interview mit Urs Brändli zu 25 Jahre Coop Naturaplan

07. Februar 2018


Die enge Zusammenarbeit mit Bio Suisse ist Teil der Erfolgsgeschichte von Coop Naturaplan. Bio-Bauer Urs Brändli (54) leitet den Verband.

Bio Suisse gibt es seit 1981. Coop Naturaplan kam 1993 auf den Markt. War der Bio-Landbau da schon ein Thema für Sie, Herr Brändli?

1993 hatte ich eben die Meisterprüfung gemacht und war daran, den Hof auf Bio umzustellen. Die Absatzchancen für Bio-Milch waren da noch nicht so gross, aber das hat sich – auch dank Coop – geändert. Und so konnte ich meine Kollegen, die ebenso wie ich ihre Milch zu unserer kleinen Käserei in Goldingen SG brachten, überzeugen umzustellen. 1995 machten wir unseren ersten Bio-Tilsiter.

War die Bereitschaft zur Umstellung eine Altersfrage?

Zum Teil. Als wir den Betrieb 1985 übernahmen, war ich 21. Freunde von ausserhalb der Landwirtschaft fragten uns immer wieder: «Warum nicht Bio?» Da die Herausforderungen für einen Grünland-Betrieb nicht so gross sind, stellten wir um, und die Nachbarn zogen mit – bis auf einen, der kurz vor der Pensionierung stand. Als ich ihm erklärte, dass er die Milch nicht mehr bei uns oben, sondern im Tal abliefern müsse, wenn er nicht auf Bio umstellt, wurde ich ein wenig zum «Grünen Tuch» in der Gemeinde. Aber sie merkten schnell, dass ich mich für Bio engagiere, ohne jemanden zu überfahren. Ich habe mich bemüht, die Leute mitzunehmen auf den Weg.

Sind die Anforderungen bei anderen Betrieben grösser?

Sicher! Bei Grünland-Betrieben ist die Blacke (Rumex optusifolius, stumpfblättriger Ampfer, Anm. d. Red.) das einzige Problem, das manche immer noch von der Umstellung auf Bio abhält, obwohl dieses Unkraut auch ohne Chemie unter Kontrolle zu halten ist. Dagegen muss man sich im Ackerbau, für Gemüse- oder Spezialkulturen sehr viel neues Wissen aneignen und die Erfahrung anderer Betriebe nutzen, wenn man auf Bio umstellen will.

Ist es heute leichter, Bio-Bauer zu werden, als zu Ihrer Zeit?

In vielen Regionen ist es kein Problem mehr. In Graubünden mit einem Bio-Anteil von 60 Prozent etwa fällt man fast auf, wenn man noch nicht umgestellt hat. Anders in der Westschweiz: Da ist der Bio-Anteil noch viel niedriger, und wer dort als erster im Dorf umstellen will, wird oft auch heute noch ein wenig schräg angesehen und muss zunächst das Eis brechen.

Was motiviert einen Bauern, sich für Bio zu entscheiden?

Bei allem Spott und trotz Startproblemen – fünf Jahre nach einer Umstellung sagt jeder, dass dies seine beste Entscheidung als Betriebsleiter gewesen sei. Bio-Bauern gewinnen doppelt: Wertschätzung durch die Konsumenten, die lieber Ungespritztes essen, und zugleich Wertschöpfung, denn der Ertrag ist in der Regel besser.

Liegt das am Bio-Landbau oder sind die zur Umstellung bereiten Bauern allgemein innovativer als andere?

In diesem Punkt lebt das Erbe der Bio-Pioniere weiter: Wer in den 1960er-, 1970er-Jahren umgestellt hat, musste auch etwa 20 Familien als Kunden gewinnen – damals gab es ja kaum Bio-Läden. Aus diesem direkten Kontakt und Austausch mit der Konsumentenschaft hat sich eine ganz andere Dynamik entwickelt, als bei den konventionellen Kollegen, die damals noch nach staatlichen Vorgaben und mit garantiertem Absatz produzierten.

Dennoch gibt es auch heute noch Skeptiker, die Bio als reines Marketing abtun. Was entgegnen sie denen?

Wir zeigen offen und ehrlich, was wir in den Bio-Betrieben anders machen. Das ist der einzige Weg, um Vertrauen zu gewinnen. Darüber hinaus müssen wir den Konsumenten erklären, dass sie mit Bio-Produkten nicht nur sich selber etwas Gutes tun können, sondern auch langfristig etwas bewirken. Seit ich vor einem Jahr Grossvater wurde, ist mir das wieder sehr bewusst: Den Boden, den wir bearbeiten, verwalten wir nur für die, die nach uns kommen.

Welchen Anteil hat Coop am Erfolg der Bio-Bewegung?

Der Einstieg mit Naturaplan vor 25 Jahren war sehr mutig, denn der Erfolg war damals überhaupt nicht absehbar. Zu Beginn gab es auch bei den Bio-Bauern Skepsis, ob das mit einer so grossen Partnerin funktioniert. Aber über die Jahre hat sich Coop als sehr verlässlich erwiesen und beide Seiten haben profitiert: Die Schweiz ist heute Weltmeister mit einem jährlichen Bio-Konsum von 300 Franken pro Kopf!

Und wie wichtig ist der Staat?

Es gibt in einigen Kantonen Umstellungsbeiträge, aber entscheidend ist für die Bio-Bauern ein dauerhaft faires Preisniveau. Und dazu hat Coop wesentlich beigetragen.

Steckt in dieser Partnerschaft nach 25 Jahren immer noch Leidenschaft oder ist das nur noch Routine?

Wenn immer eitel Sonnenschein ist, bin ich misstrauisch. Eine so enge Beziehung muss auch Konflikte aushalten! Coop ist näher am Markt, aber nicht alle Ideen lassen sich auch umsetzen. Wir prüfen Neuerungen sehr sorgfältig: Sparen wir Energie oder Verpackungsmaterial? Ist die Verarbeitung schonender für das Produkt? Da gibt es schon ab und zu Reibung, aber am Schluss haben wir immer für beide Seiten gute Lösungen gefunden.

Der Markt für Bio-Produkte ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, nicht nur hier in der Schweiz. Gibt es irgendwann nur noch Bio?

Tatsächlich werden viele Erfahrungen aus dem Bio-Bereich heute auch in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt, zum Beispiel die Schlupfwespe als natürlicher Feind gegen Schädlinge wie den Maiswurzelbohrer. Neu sogar per Drohne: So braucht man statt 40 nur noch 3 Minuten pro Hektar zum Ausbringen der Nützlinge. Darum muss die Bio-Forschung gestärkt werden, so wie Coop dies mit ihrem Nachhaltigkeitsfonds tut. Und wenn die konventionellen Kollegen uns dann kopieren, nehmen wir das als Kompliment.

Sind die Bio-Standards nicht zu hoch, um die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern?

Eine aktuelle Studie geht davon aus, dass dies mit 60 Prozent Bio-Landbau weltweit möglich wäre – bei gleichzeitiger Halbierung von Fleischkonsum und Foodwaste. Mit dem Verzicht ist das allerdings so eine Sache … Es wird verschiedene innovative Produktionsmethoden geben, aber auch das Smart Farming mit Robotern kann Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit bringen.

Was wünschen Sie sich vor allem für die Bio-Zukunft?

Vor allem Kostenwahrheit! Wer heute Bio kauft, zahlt neben dem höheren Preis auch einen entsprechend höheren Mehrwertsteuerbetrag, und mit den Steuergeldern werden Schäden an Natur und Umwelt behoben, die nicht durch Bio-Produkte entstanden sind. Das ist unfair! Solange wir die Kostenwahrheit nicht einigermassen hinbekommen, wird Nachhaltigkeit fast nicht möglich sein.

Das Interview erschien Ende Januar 2018 in der Coopzeitung.
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