Chez Bio Suisse: Biopionier und Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein im Gespräch

09. November 2016


Der deutsche Biopionier und Landwirt Felix Prinz zu Löwenstein ist mit dem Biolandbau noch nicht zufrieden. Im Gespräch erklärt er warum.

Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft und Vorstandsmitglied des FiBL Deutschland.

Herr Prinz zu Löwenstein, Sie haben Ihren Betrieb 1992 auf ökologischen Landbau umgestellt. Was war der Auslöser?

Felix Prinz zu Löwenstein: Ich fühlte mich zunehmend unbehaglich im Umgang mit Pestiziden. Als ich verstanden hatte, dass die ökologische Alternative produktionstechnisch und ökonomisch funktioniert, war klar: Ich muss umstellen.


Nach 24 Jahren ökologischem Landbau sind Sie aber dennoch nicht zufrieden damit, wie es läuft.

Wir betreiben seit 10000 Jahren Landwirtschaft. Aber wenn wir weiterfahren wie bislang, dann betreiben wir in 10000 Jahren keine Landwirtschaft mehr. Auch keine biologische. Wir haben für viele Praktiken der konventionellen Landwirtschaft funktionierende Alternativen. Hin und wieder sind wir nur besser, aber noch nicht gut. Und manche Probleme haben wir genauso wenig gelöst, wie die konventionellen Kollegen.


Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Kreisläufe sind nicht geschlossen, denn alle Nährstoffe, die mit unseren Produkten den Hof verlassen, kehren dorthin nicht zurück. Oder: Immer mehr Betriebe fahren mit zu schwerer Technik auf den Feldern herum – mein eigener eingeschlossen. Egal wie breit die Reifen sind – der Unterboden wird so verdichtet. Oder: Viele Systeme sind nicht stabil. Wie Obstplantagen, die regelmässig Pflanzenschutz brauchen. Oder Putenmastbetriebe, die nicht ohne Antibiotika auskommen. Spannend fände ich, mit der konventionellen Landwirtschaft zusammen die Bereiche zu identifizieren, in denen wir alle Probleme lösen müssen, um diese dann gemeinsam anzugehen. Das würde helfen, Brücken zu bauen.


Ist dafür der Graben zwischen konventionellen und biologischen Landwirten nicht zu gross? Gibt es Beispiele, bei denen das bereits funktioniert?

Der ist gross. Aber die Kombination aus wirtschaftlichen Problemen und mangelhafter gesellschaftlicher Anerkennung macht insbesondere konventionelle Landwirte zunehmend nachdenklich. Ich halte den Versuch für lohnend, solche Brücken zu bauen. Denn ohne die gelingt es zu wenigen konventionellen Kollegen, ihr Herz über die Umstellungshürde zu werfen…


Während der Biolandbau an seinen Pendenzen arbeitet, kommen ständig neue Herausforderungen dazu. Wie stehen Sie zu der Biotechnologiemethode CRISPR/Cas?

Erstens sollten wir uns Zeit nehmen, die Risiko-Frage zu beurteilen. Schliesslich entstehen bei CRISPR/Cas wie auch bei der klassischen Gentechnik Organismen, die man nicht mehr zurückholen kann. Zweitens: Der Ökolandbau sollte solche Technologien nicht nutzen. Seine Aufgabe ist es, stabile Systeme zu entwickeln, die ohne regelmässigen externen Input auskommen. Beispiel: Eine Hoffnung ist, dass mit CRISPR/Cas die Bananenproduktion gerettet werden könnte.


Wie genau?

Weltweit ist praktisch nur eine Sorte im Anbau, die aber von einem Virus bedroht wird. Die Hoffnung ist, diese Sorte zu «reparieren», gegen das Virus resistent zu machen. Das wäre aber keine Lösung im Sinne des Biolandbaus. Hier geht es darum, Sortenvielfalt herzustellen. Und für den Bananenanbau natürliche, stabile Systeme in Mischkultur zu entwickeln. Aber das sind Lösungen, die keiner mehr sucht, wenn die Abkürzung über die Gentechnik genommen wird. Das gilt für den Süden ebenso wie für Europa.


Sie sagen, in den letzten 150 Jahren hätten wir etwas geschafft, was wir nie zuvor geschafft haben, nämlich unsere Existenz zu gefährden. Was sollen wir tun?

Die Empfehlung des Philosophen Hans Jonas war, angesichts dieser Erkenntnis eher den Unheilspropheten Glauben zu schenken als Heilsversprechungen. Das ist nicht ängstlich, sondern vernünftig, es geht um Vorsicht und das Vorsorgeprinzip. Auf die Biotechnologie gemünzt rät Jonas, eher dem langsam tastenden Schritt der Evolution zu folgen als der Versuchung, in raschen, kolossal grossen Sprüngen Erfolge zu suchen.



Das würde bedeuten, dass wir eine eigenständige Biozüchtung aufbauen müssen. Ist das realistisch?

Wir müssen der Biozüchtung helfen, weil sie andere Wege geht als die konventionelle Züchtung. Weil sie Qualitätsparameter angeht, die dort schon lange keine Rolle mehr spielen. Weil sie mit den Bedingungen arbeitet, die auf unseren Betrieben herrschen. Das ist eine öffentliche Aufgabe, weil noch nicht absehbar ist, wie die Existenz dieser Züchtung ausschliesslich aus den Lizenzen der wenigen Biobetriebe gesichert werden kann. Das ist aber gerechtfertigt, weil hier auch für die breite Züchtung Pionierarbeit geleistet wird.


Bei diesen Fragen kommt auch den Konsumentinnen und Konsumenten eine wichtige Rolle zu. Sie bestimmen über den Geldbeutel, was produziert wird. Sind sie damit nicht überfordert?

Nein. Wir haben auf allen Gebieten die Alternative, nachhaltig erzeugte Produkte zu kaufen. Aber es wird nicht die Summe der Verbraucherentscheidungen sein, die unsere Wirtschaft enkeltauglich macht. Konsumenten werden nur die Pionierfunktion ausüben, die den Wandel möglich macht. Am Ende ist es die Politik, die für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen muss. Und momentan sind die Rahmenbedingungen falsch ausgelegt.


Inwiefern?

Schauen Sie sich die konventionellen Kollegen an. Wenn man in einem Markt arbeitet, dann muss man zu dessen Konditionen arbeiten, um mit den anderen mithalten zu können, für die diese Konditionen ebenfalls gelten. Wenn man nur fünf Euro Gewinnbeitrag je Mastschwein erzielt, hat man keinen Spielraum für Tierwohlverbesserungen. Man muss alles machen wie die anderen. Oder das System wechseln. Das wäre dann der Ökolandbau, mit eigenen Konditionen und einem eigenen Markt.


Bio Suisse hat den Jahresbericht 2015 als Jahresbericht 2035 verfasst, mit Rückblick auf 2015. Wo sehen Sie den Biolandbau in den deutschsprachigen Ländern im Jahr 2035?

Bis dahin sollten wir die 25% Marke geknackt haben. Und die politischen Rahmenbedingungen so gesetzt haben, dass 15 Jahre später der Preis von Produkten einer umweltschädlichen und ressourcenfressenden Landwirtschaft alle Kosten beinhaltet. Dann wird sich niemand mehr diese Produkte leisten wollen!



Interview: Katharina Scheuner

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