Bio-Leinöl ist ein echtes Kraftpaket unter den Speiseölen

11. Juli 2022

Können Sie sich einen Salat ohne Öl vorstellen? Das wäre eine ziemlich fade Angelegenheit. In den hiesigen Küchen geht der Griff deshalb rasch zu diversen Ölen – selten aber zum Leinöl. Dabei ist das nicht nur schmackhaft, sondern echtes «Superfood» wie Experte Hans-Georg Kessler von Biofarm weiss.

Hans-Georg Kessler von Biofarm vor einem Leinfeld.
Hans-Georg Kessler vor einem Leinfeld: Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Biofarm und dort auch Produktmanager für Ölsaaten.
(Biofarm)

Was ist Leinöl und was sind seine Vorzüge?

Leinöl ist das Öl aus den Leinsamen und schmeckt etwas nussig, manchmal auch ein wenig bitter. Es ist ein sehr spezielles Öl, denn es hat einen sehr hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren. Die sind wichtig für unsere Gesundheit, im Speziellen für unser Nervensystem, aber auch für die Haut, das Gewebe und vieles mehr. Leinöl hat einen Anteil von mehr als 50 Prozent an Omega-3-Fettsäuren. Zum Vergleich: Der Anteil beim Rapsöl liegt bei ca. 10 Prozent, beim Sonnenblumenöl bei ca. 1-2 Prozent. Trotzdem: Leinöl findet sich noch relativ selten in der Schweiz.

Können Sie dafür Gründe nennen?

Das ist schwierig zu sagen. Bei uns gehört es nicht zum kulinarischen Erbe wie beispielsweise in Norddeutschland oder Österreich, wo man Leinsamen oder Leinöl gerne in den Quark mischt. Zudem ist Leinöl auch sehr «heikel». Wegen des hohen Gehaltes an Omega-3-Fettsäuren kann es bei Luftzutritt recht schnell bitter werden. Deshalb sollte das Öl in eher kleinen Einheiten gekauft, kühl gelagert und schnell konsumiert werden.

Biofarm-Öle im Vergleich

Durchschnittliche Angaben in Prozent

  Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 3) Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 6) Einfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 9) Gesättigte Fettsäuren
Leinöl 57 15 18 10
Rapsöl 9 20 65 6
Sonnenblumenöl 1 60 29 10
Kürbiskernöl 3 53 28 16
Baumnussöl 13 62 16 9
Camelineöl 43 16 33 8
Hanföl 20 56 13 11
Sonnenblumen-Bratöl 2 8 82 8
Raps-Bratöl 3 8 81 8
Olivenöl 1 8 74 17

Quelle: Biofarm

Leinöl ist also «heikel». Lässt es sich trotzdem gut vermarkten?

Ja, denn es ist eines der wertvollsten Öle. Früher war gekochtes Leinöl auch für viele technische Zwecke unersetzlich, wie beispielsweise zur Imprägnierung von Holz oder anderen Dingen. Tatsächlich haben wir aktuell überhaupt kein Problem, Leinöl zu vermarkten. Wir haben eher das Problem, nicht genügend Bio-Leinöl in der Schweiz produzieren zu können. Denn: Lein ist im Anbau sehr anspruchsvoll.

Was ist daran so anspruchsvoll?

Die grosse Herausforderung ist das Unkraut, vor allem da wir komplett auf chemisch-synthetische Herbizide verzichten. Eine Möglichkeit ist, vor der Saat Unkrautkuren zu machen, so dass der Lein anschliessend mit weniger Konkurrenz gedeihen kann. Möglich ist auch, den Lein in enge Reihen zu säen und ihn zu hacken. Das Risiko der Verunkrautung lässt sich auch – je nach Unkrautflora – mit der Saat von Winterlein im September reduzieren.

Ein Leinfeld
Ein Leinfeld ist auch optisch ein Genuss.
(Oliver Roscher)

Trotzdem: Der Bedarf an Leinöl ist da. Können Sie den decken?

Der Bedarf kann von Biofarm in diesem Jahr nicht komplett gedeckt werden. Aktuell haben wir eine Anbaufläche von gut 60 Hektaren für die Ernte in diesem Jahr. Das reicht leider nicht und wir müssen wahrscheinlich Leinsaat importieren. Aber: Einige Bauern und Bäuerinnen haben bewiesen, dass Bio-Leinanbau in der Schweiz erfolgreich betrieben werden kann und wir hoffen auf noch mehr, denn wie gesagt: Der Bedarf ist da.

Sind Sie zuversichtlich, dass der Lein-Anbau eine Zukunft hat in der Schweiz?

Ich glaube, es ist schon im Bewusstsein der Leute angekommen, dass Leinsamen und Leinöl etwas Gutes und Gesundes sind. Und ich wünsche mir, dass die Leinprodukte wieder einen grösseren Platz in unserer Ernährung einnehmen. Noch ist der Leinanbau zwar eine kleine Nische, aber er hat sehr viel Potenzial.

Ich wünsche mir, dass die Leinprodukte wieder einen grösseren Platz in unserer Ernährung einnehmen. 

 

Der Kunde orientiert sich natürlich auch am Preis. Wo liegt da das Leinöl im Vergleich zu anderen gängigen Speiseölen?

Im Vergleich zu Raps- oder Sonnenblumenöl ist Leinöl teurer. Wir von Biofarm haben den Produzent:innen für die Ernte 2021 für die Leinsaat 290 Franken pro Dezitonne (dt) gezahlt und werden ihn für die anstehende Ernte auf 300 Franken erhöhen. Zum Vergleich: Für Raps lag der Preis bei 200 Franken/dt und bei Sonnenblumen je nach Typ zwischen 143 und 165 Franken pro Dezitonne. Das schlägt sich natürlich auch beim Verkaufspreis nieder.

Verschiedene Speiseöle von Biofarm
Die Auswahl an Speiseölen ist gross. Kleiner Tipp: Leinöl sollte man nur kalt verwenden.
(Biofarm)

Warum ist denn Leinöl teurer als viele andere Speiseöle oder auch importiertes Leinöl?

In der Schweiz können wir sicher nicht zu chinesischen oder rumänischen Preisen produzieren. Wir müssen den Bauern ein gleichwertiges Einkommen ermöglichen, wie wenn sie Weizen anbauen würden. Zudem trägt der Bauer, die Bäuerin, ein grösseres Risiko als beim Weizenanbau, also muss beim Preis auch eine Prämie eingebaut sein, um diesem Risiko gerecht zu werden.

In der Schweiz können wir sicher nicht zu chinesischen oder rumänischen Preisen produzieren.

Kommen wir zum Genuss. Sie sind ein echter Ölsaaten-Experte. Für welche Speisen verwenden Sie am liebsten Leinöl?

Ich verwende Leinöl für diverse Salate und mische es dabei oft abwechselnd mit anderen Ölen wie Sonnenblumenöl oder Basilikum-Olivenöl. Aber es muss nicht immer Salat sein, wie unser Rezept für Leinölparfait zeigt. Übrigens sollte man auch die Leinsamen nicht vergessen. Die verwende ich beim Brotbacken oder für den Sonntagszopf. Wichtig ist, dass man sie vor dem Einmischen in den Teig im Wasser aufgehen lässt.

Vermutlich nicht mehrheitsfähig ist meine Vorliebe von Leinsamen als Snack: Einfach ein Teelöffel Leinsamen im Mund gut zerkauen – das typische Lein-Aroma geniessen – und sich vorstellen, was wohl unsere Vorfahren vor 3‘000 Jahren gedacht haben, als sie dasselbe taten.

Redaktion: Oliver Roscher, Fotos: Oliver Roscher und Biofarm

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