Des Bäckers Handwerk

18. Mai 2021

Was ihm seine Knospe-Bauern an Getreide liefern, macht Patrik Hersberger zu Brot. Und das verkauft sich gut. Schwankungen in der Getreidequalität, sagt er, seien normal

Biobäcker Patrik Hersberger ist ein pragmatischer Typ. «Ein Brot ist ein Brot», sagt er. Mal gehe es etwas mehr auf, mal etwas weniger. Mal sei es etwas dunkler, mal etwas heller. Gebäck, das jahrein, jahraus immer tupfgenau gleich aussieht, riecht und schmeckt, das findet man in seiner Reformbäckerei im bernischen Vechigen nicht. Hier wird das meiste in Handarbeit erledigt. Und das auf engstem Raum.

Während Marina und Sandra am Arbeitstisch in der warmen Backstube Dutzende Birnenbrote fertigen, holt keine zwei Meter daneben Mario mit dem langen Holzschieber frische Dinkel- und Bauernbrote aus dem holzbefeuerten Etagenofen. Derweil wäscht Fränzi im Nebenraum die Teigeimer aus, bereitet Lieferungen vor und bedient nebenbei Kundinnen und Kunden durch ein Fenster. Still ist es nur im Lagerräumchen mit der kleinen elektrischen Mühle. Sie macht gerade Pause.

Patrik Hersbergers Biobäckerkarriere begann vor 35 Jahren. Geprägt von der Bio- und Jugendbewegung zog der gelernte Psychiatriepfleger nach Vechigen, wo er 1986 als blutiger Anfänger die Reformbäckerei übernahm – nachdem er dort zwei Monate ausgeholfen hatte. «Ich kreierte Rezepte und buk mit Sauerteig und Schrot, was hierzulande nicht zuletzt unter Profibäckern eher verpönt war», sagt er. Aber manchmal sei es besser, wenn man etwas nicht wisse oder gelernt habe, denn es erlaube einem, die Dinge anders anzugehen. Im Dorf fand der Biobäcker, der bald Bioläden und alternative Gastrolokale in und um Bern belieferte, schnell Akzeptanz. «Nur der Müller von nebenan meinte, er würde meine Biobrote nicht mal seinen Rössern verfüttern.» 1998 erlangte Patrik Hersberger die Knospe-Lizenz. Sein Angebot umfasst heute rund 30 Brote, Klein- und Süssgebäcke

Das Getreide bezieht Patrik Hersberger von fünf Knospe-Bauern aus der Region. Hauptsächlich Weizen, Dinkel und Roggen. «Alle von uns verwendeten Vollkornmehle und das Schrot – sie machen rund 30 Prozent der gesamten Mehlmenge aus – stellen wir selbst her», sagt der 58-Jährige. Für die an- deren 70 Prozent ist die nahe gelegene Mühle Hindelbank zuständig. «Sie ist gleichzeitig unsere Getreideannahmestelle, es kommt nichts direkt zu uns. Das Getreide wird dort geputzt, auf Pilzbefall und Backfähigkeit geprüft und, wenn nötig, getrocknet.» Weiteres Getreide, namentlich Gerste und Emmer, kauft er bei der im Emmental ansässigen Steiner Mühle ein. Pro Woche verbacken er und sein 9-köpfiges Team, sie teilen sich 500 Stellenprozente, gut eine Tonne Mehl.

Bessere Ernte, schlechtere Ernte, gleicher Preis

Auf die Qualität des von ihm verwendeten Getreides und Mehls angesprochen, zuckt Patrik Hersberger mit den Schultern. «Diese muss natürlich stimmen. Aber im Grunde nehme ich alles an, was backfähig ist.» Etwas anders sieht das bei den industriellen Grossbäckereien aus. Gerade beim Weizen sind sie unter anderem auf einen möglichst hohen Proteingehalt angewiesen. Dieser steht in direktem Zusammenhang mit dem Gluten-, sprich Feuchtklebergehalt. Kleber macht den Teig elastisch, dehnbar, gibt dem Brot seine Struktur und sorgt für Volumen und Leichtigkeit. Zudem lässt sich Weizenmehl mit hohem Proteingehalt in der automatisierten Teigfabrikation leichter verarbeiten. Was am Ende die Back- strasse verlässt, sind genormte Produkte.

Nun diskutiert die Branche – Mühlen, Bäckereien, Sammelstellen – mit den Getreideproduzent*innen die Anpassung eines bereits bestehenden Bezahlsystems mit Richtwerten. Knospe-Bäuerinnen und -Bauern, die Weizen mit hohem Proteingehalt liefern, erhalten mehr Geld als solche, die in der Norm oder darunter liegen. Einen hohen Proteingehalt zu erreichen, ist im biologischen Landbau aber aus diversen Gründen schwierig. Patrik Hersberger, der nicht an dieser Diskussion beteiligt ist, hat seine eigene Philosophie. Saisonale Schwankungen in der Qualität seien normal und seine Reformbäckerei lebe damit, sagt er. «Mal hast du eine bessere, mal eine schlechtere Ernte. Den Bauern deswegen weniger Geld zu geben, finde ich nicht fair.» Er bezahle deshalb allen denselben Preis. Und es sei ein guter Preis.

Dass Patrik Hersberger und sein Team auch mit Weizen mit etwas tieferem Proteingehalt gut klarkommen, liegt fast schon auf der Hand. «Als handwerkliche Bäckerei sind wir deutlich flexibler als eine Grossbäckerei, weil wir unsere Prozesse einfacher anpassen können», sagt er. Vermeintlich «schlechteres» Mehl mit gutem Mehl aufzupeppen, sei da noch die gängigste Lösung. Aber auch mit der Schütttemperatur des Wassers, dem Mehl-Wasser-Verhältnis, der Hefemenge, der Gär- und Ruhezeit, der Backtemperatur und  anderen Faktoren könne man Einfluss nehmen. Auch beim Dinkel. «Der muss einen sehr guten Kleber haben, damit überhaupt etwas passiert», sagt Patrik Hersberger. Als Hilfsmittel dient hier das Brühstück. Dazu nimmt man etwas Dinkelmehl und übergiesst es mit kochendem Wasser, was den Kleber aktiviert. Das Brühstück wird danach mit dem restlichen Dinkelteig vermengt. «Emmer sollte ähnlich wie Dinkel funktionieren. Bis jetzt habe ich ihn nur beigemischt, ich möchte aber bald ein reines Emmerbrot ausprobieren.»

Etwas mehr «Beck» sein wollen

Roggenmehl kann ebenfalls nicht einfach so verbacken werden. Wegen des schlechten Klebergehalts kann es nur mithilfe von Sauerteig aufgehen. Auch diesen macht der Biobäcker selbst. Oder besser: hält ihn am Leben. Der «Mutterteig» stammt nämlich immer noch aus der Anfangszeit. «Einen Sauerteig gut zu führen, ist schlimmer, als Kühe zu halten», scherzt Patrik Hersberger. Einmal angesetzt, müssen die Bakterien kontinuierlich genährt werden, damit die Gärung richtig verläuft und der Teig nicht schlecht wird, geschweige denn stirbt. «Da musst du stets ein Auge drauf haben. Darum bin ich damals auch gleich in die Wohnung über der Bäckerei gezogen; um immer da zu sein», sagt er. Dass er nun ein Team hat, das bei der Pflege des Sauerteigs mithilft, macht es nicht einfacher. Gemäss dem Spruch: Viele Bäcker verderben den Teig. Damit nichts schiefläuft, gibt es eine Anleitung mit Protokoll.

Die Arbeit sei herausfordernd, aber auch erfüllend. «Ich möchte nicht werten, glaube jedoch, hier musst du etwas mehr Beck sein wollen als in einer Grossbäckerei. Du musst mit allen Sinnen dabei sein und Freude am Handwerk haben», sagt Patrik Hersberger. Ausserdem habe man grössere Freiheiten, Neues auszuprobieren. So begann der Biobäcker bereits in den 1990ern damit, Gerstenmehl als Geschmackskomponente einzusetzen. «Hier wird viel Gerste angebaut. Und ich dachte mir, warum das Futter- nicht auch als Brotgetreide nutzen?». Ebenfalls seit langer Zeit im Angebot und bei seiner Kundschaft beliebt: ein Reisbrot aus Weizenruchmehl, Vollreismehl, gekochtem Vollkornreis und Roggensauerteig. «Ich habe auch schon ein Hafer-Hanf-Brot gemacht. Mein nächstes Projekt ist ein Brot aus Einkorn.»                                

Redaktion und Bilder: René Schulte, publiziert in Bioaktuell, Ausgabe 2/2021               

Teilen